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Unterwegs mit dem Notarzt

01.10.2012

Aus dem aktuellen SWmagaz.in: Medizinische Wunder kann auch er nicht vollbringen, aber der Notarzt und seine Rettungssanitäter sind Garantie dafür, dass alles getan wird, um Leben zu erhalten.

Die Gelegenheit Dr. med. Leith Yahya in einer ganz normalen Nacht begleiten zu dürfen, hat uns einen tiefen Einblick in die Notfallmedizin verschafft.

Es ist noch keine Nacht, der Notfalldienst von Dr. Leith Yahya läuft schon seit 16.00 Uhr. In seiner Hausarztpraxis in Dittelbrunn ist noch reichlich Betrieb. Käme jetzt eine Alarmierung über die nagelneue ILS (Integrierte Leitstelle Schweinfurt), Dr. Yahya müsste alles stehen und liegen lassen, Notfall geht auf jeden Fall vor.

Heute meint es sein Piepser gut mit ihm und seinen Patienten in Dittelbrunn, der erste Notfall läuft um kurz nach 19.00 Uhr ein. Stefanie Ebertz, eine junge Frau am Schweinfurter Bergl, hat ihre Nachbarin im Treppenhaus zusammenbrechen sehen. Geistesgegenwärtig hat sie gleich die 112 gerufen und den Vorgang detailliert beschrieben. Notarzt und RTW haben sich sofort mit Blaulicht in Bewegung gesetzt.

Alleine schon die Fahrt mit dem Notarztfahrzeug, durch die um diese Zeit noch sehr belebte Stadt, ist nichts für schwache Nerven. Da muss Andreas Wagner, der Fahrer des Notarztwagens, schon richtig konzentriert durch jede Lücke manövrieren und das mit der höchsten Geschwindigkeit, die der Verkehr zulässt. Ein Auge hat er immer auch auf die anderen Verkehrsteilnehmer, manche hören das Martinshorn einfach nicht und andere sind verunsichert und wissen nicht wohin sie ausweichen sollen. Dem Notarzt und dem Schreiberling bleibt nur, sich ordentlich in den Kurven festzuhalten. Der Notarzt scheint die schnelle Fahrt zu genießen, der Schreiberling eher weniger, der hat einfach Angst. Am Bergl angekommen, steht der RTW vom Roten Kreuz schon vor der angegebenen Adresse.

 

Hektik bringt nichts

Der Notarzt und sein Fahrer rennen nicht los, wie man das manchmal in Filmproduktionen sieht, beide gehen schnell, vor allem gezielt. „Es hat keiner was davon, wenn der Notarzt auf die Nase fällt, weil er einen stuntmäßigen Anlauf zeigen will.” Auch der Patient erwartet einen ruhigen besonnenen Arzt, der ihm gezielt und überlegt helfen kann und nicht einen, der vollkommen aus der Puste angekeucht kommt. Die Rettungssanitäter, die schon vorher da waren, machen in kurzen Worten einen Bericht an den Notarzt. Andreas, der Fahrer, hat den großen roten Rucksack mit allen nötigen Utensilien schon zurecht gelegt.

 

Ausgebildeter Rettungssanitäter als Fahrer und Assistent

Andreas ist ebenfalls bestens ausgebildeter Rettungssanitäter und schon vier Jahre beim Bayerischen Roten Kreuz im Dienst. Gut, dass die Nachbarin sofort richtig reagiert hat und dem Operator bei der ILS alle Details am Telefon darstellen konnte, Voraussetzung für einen schnellen Notarzteinsatz. Die Diagnose des Notarztes ist eindeutig: „Die betagte Patientin hatte plötzlich Atemnot bekommen, wir haben festgestellt, dass Sie Hochdruck, 220 Blutdruck hat. Ein Lungenödem führte zur Atemnot. Absolut eine Notarztindikation, das ist lebensgefährlich. Die Herzfrequenz war mit 164 relativ stark und die Sauerstoffsättigung im Blut war zu gering. Sie hat Sauerstoff und Medikamente bekommen und ist jetzt einigermaßen stabil. Wir fahren sie ins Krankenhaus auf die Intensivstation zur Weiterbehandlung. Wahrscheinlich hat ihr Herzmuskel nicht mehr richtig funktioniert.”

 

Einsätze Schlag auf Schlag

Der Notarzt begleitet die Patientin in diesem Falle im RTW ins Krankenhaus. Aber diese fürsorgliche Begleitung musste der Notarzt dann doch den Rettungssanitätern alleine überlassen. Ein Notruf aus der ILS bedeutete den sofortigen Umstieg vom RTW in den Notarztwagen. Wieder geht‘s mit Blaulicht und Martinshorn quer durch die Stadt. Auf einem Sportplatz war ein junger Mann bei einem Fußballspiel zusammengebrochen, ohne fremde Einwirkung, wie der Anrufer bei der ILS beteuerte.

 

Herzstillstand auf dem Sportplatz

Auch in diesem Falle war das RTW (das ist ein Fahrzeug des Rettungsdienstes für die Notfallrettung) schneller am Ort des Geschehens. Oft hat das damit zu tun, dass ein RTW zufällig näher dran ist. Die Polizei war auch alarmiert, einfach deshalb, weil ein rein medizinischer Notfall bei einem Fußballspiel nicht so häufig vorkommt. Meist sind es doch Verletzungen, die aus dem Spielgeschehen abgeleitet werden können und Emotionen könnten dann hochkochen. Hier war das anders. Der junge Mann war mitten im Spielgeschehen einfach umgekippt. Tobias und Benjamin, die beiden Rettungssanitäter, diesmal von den Johannitern, meldeten im Moment des Eintreffens des Notarztes den Atemstillstand und Kreislaufstillstand. Der tragbare Defibrillator kam sofort zum Einsatz.

 

Dramatische Lebensrettung

„Wir haben defibrilliert und reanimiert, ich habe beatmet. Nach ungefähr zwei Minuten ist der Patient wieder gekommen. Die Zunge musste mit dem Güdel-Tubus vorgezogen werden. Die Zunge wird meist verschluckt, sie rutscht dann nach hinten und die macht Luftröhre zu. Der Tubus hat ein Loch in der Mitte, dadurch kommt Luft rein und der Patient kann beatmet werden. Er hatte nach der Reanimation wieder Eigenatmung. Den schnellen Puls haben wir mit Medikamenten runtergeholt, aber dann setzte Schnappatmung ein, d.h. er hat zu langsam geatmet. Wir mussten daraufhin intubieren und wieder beatmen. Das war ein Infarkt. Jetzt, im Herzkatheterlabor im Krankenhaus, wird ein Katheter geschoben und versucht die Herzkranzgefäße zu dehnen und evtl. gleich ein Stent gesetzt.”

Auch in diesem Fall hat der Notarzt den Patienten an seine Kollegen im Krankenhaus übergeben. Das war der zweite Patient, den der schnelle Einsatz in dieser Schicht das Leben gerettet hat.

 

Der dritte Einsatz

Der dritte Fall in dieser Schicht kam, da war‘s schon mitten in der Nacht. Aus einer Gemeinde am Stadtrand kam ein Notruf von einem alleine lebenden älteren Mann, der sich noch zu seinem Telefon schleppen konnte. Die Wohnung sah aus wie in einem Tatort-Krimi, alles voller Blut. Der Patient hatte einen hämorrhagischen Schock, verursacht durch den hohen Blutverlust. Der Grund dafür war keine äußere Verletzung. Das kann alles mögliche sein, vom Darm, vom Magen oder auch von der Speiseröhre. Der Notarzt muss sofort etwas gegen den hohen Blutverlust unternehmen, der ist lebensgefährlich. Für eine ausführliche Suche nach den Gründen der Blutungen ist jetzt keine Zeit, zumal keine äußerlichen Verletzungen feststellbar sind.

„Der Druck geht runter, die Pulsfrequenz rauf, weil ihm Blut fehlt, weil er ziemlich viel Blut verloren hat. Das kann man relativ gut behandeln. Man gibt dem Patienten gleich eine Infusion mit einem Blutersatzstoff, hebt den Blutdruck etwas an und dann schnell in die Klinik.”

 

Die erste Tasse Kaffee

In der Zwischenzeit ist es weit nach Mitternacht, Zeit um mal eine Tasse Kaffee zu trinken, in diesem Fall in der Arztpraxis von Dr. Leith Yahya in Dittelbrunn. Ein kurzes Resümee des ersten Teils der Schicht: „Aufregend war die Sache auf dem Sportplatz. Der junge Mann hatte wirklich eine Nulllinie, er war eigentlich tot und durch die Reanimation wurde er wiederbelebt. Wir haben ihn lebendig ins Krankenhaus gebracht, er hat noch in der Nacht seine drei Stents gekriegt, dem geht es jetzt gut. Er verlässt in einer Woche das Krankenhaus, geht evtl. auf Reha und dann ist wieder alles okay bei ihm.”

 

Manches geht schon an die Nieren

Der Notarzt erzählt von Fällen, die auch ihm richtig an die Nieren gegangen sind. „Ganz schlimm ist es, wenn Kinder betroffen sind. Im Laufe der Zeit legt man sich eine harte Schale zu. Den ‚normalen‘ Betrieb lässt man nicht an sich herankommen. Da denkst du, ich habe alles gemacht was ich konnte. Ich weiß, dass ich gut bin, ich weiß, dass ich viel kann. Ich habe alles gemacht was ich konnte… und wir haben ihn nicht gerettet, dann sollte das einfach so sein.”

Viel Zeit für anderes neben seinem Beruf bleibt dem Doktor nicht. „Wir haben einen großen Garten, den meine Frau schön angelegt hat, sie hat ein Händchen dafür, da setze mich ganz gerne mal hin, um einfach nichts zu tun.”

 

In Bagdad geboren

Leith Yahya ist im Alter von sieben Jahren mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen. Die Mutter ist Schweinfurterin, der Vater stammt aus dem Irak. Der Großvater Thomas hatte eine Weinhandlung am Marienbach. Vor dem Krieg betrieb er eine Gastwirtschaft an der Heilig-Geist-Kirche, das ist im Buch „Alt Schweinfurt“ schön dargestellt. Aufgewachsen ist Leith am Marienbach. Nach Würzburg ist er auf‘s Gymnasium gegangen.

 

Auf Umwegen zur Medizin

„Ich war zugegebenermaßen faul und bin im ersten und im dritten Jahr durchgefallen, dann war‘s vorbei mit der humanistischen Bildung. Es folgte eine Schlosserlehre beim Kufi in Schweinfurt. Die Lehre habe ich abgeschlossen. Auf meinen Gehilfenbrief als Schlosser bin ich heute noch stolz. Der Ehrgeiz hat mich dann doch wieder eingeholt und nach dem Abi auf dem zweiten Bildungsweg habe ich am Polytechnikum weitergemacht und als Maschinenbauingenieur abgeschlossen. Habe drei Jahre als Refa- und MTM-Ingenieur gearbeitet, um dann als Assistent in der Direktion zu arbeiten.

Dass das nicht meiner Vorstellung vom Leben entsprach, habe ich irgendwann gemerkt. Mein Vater war Mediziner, das hat mich schon immer gereizt. Ich habe in Würzburg angefangen zu studieren, erst mit 30 war ich fertig. Ich wollte eigentlich Orthopädie machen, da gab es aber keinen freien Platz, Chirurgie auch nicht, dann bin ich in der Inneren gelandet. Ich hatte damals schon zwei Kinder und musste Geld verdienen.

1983 ergab sich die Gelegenheit, mich in Dittelbrunn als Arzt niederzulassen. Die Konditionen waren gut, der Apotheker baut das Haus und auch die Praxis so wie ich es haben wollte.”

 

Der Weg zum Notarzt

„Damals schon, im Krankenhaus, ich war fast zweieinhalb Jahre auf der Intensivstation, sind alle Kollegen Notarzt gefahren. Das war damals üblich, da es den Weiterbildungsberuf Notarzt noch nicht. Die Anästhesisten, die Internisten und die Chirurgen sind einfach Notarzt gefahren. Und dann, als ich mich niedergelassen hatte, habe ich relativ viel kassenärztlichen Bereitschaftsdienst geleistet und war am Anfang alleine. Erst als ich einen Kollegen bekam konnte ich ab und an mal wieder Notarzt fahren.”

 

Leitender Notarzt

Vor zehn Jahren wurden sogenannte leitende Notärzte berufen. D.h. bei einem Massenanfall von Verletzten, z.B. bei einem Busunglück, braucht man jemanden, der das organisiert und koordiniert. Das sind die leitenden Notärzte, davon gibt es sechs in Schweinfurt, einer davon ist Dr. med. Leith Yahya.

Sie haben die Möglichkeit sich eine Sondersignalanlage für ihr ziviles Fahrzeug einzubauen, damit sie direkt zum Unfallort fahren können und nicht extra abgeholt werden müssen.

 

Nachtdienste – ein Stück seines Lebens

„Ich habe schon ‚präsenile Bettflucht‘. Von gestern auf heute hatte ich fünf Stunden Schlaf. Früh um vier war der letzte Einsatz. Ich brauche nicht so viel Schlaf. Mit sechs Stunden im Schnitt komme ich ganz gut aus. Zwei, drei, Tage hintereinander mit nur vier Stunden Schlaf, das geht auch mal, dann brauche ich eine Erholungsphase, mindestens zwei bis drei normale Nächte.

 

Bürokram in der Nacht

„Früh um 3.00 Uhr erledige ich auch mal im Büro Papierkram, da wird man wird nicht gestört, man kann mal was am Stück wegarbeiten, es sind keine Patienten im Wartezimmer. Die Bürokratie wird ohnehin immer größer.”

 

Der Halbgott in Weiß ?

Bemerkenswert ist, dass der Ton im Rettungsteam freundschaftlich ist, es wird auch der Doktor geduzt. Nach jetzt rund 30 Jahren Notarzttätigkeit kennt Dr. Yahya alle persönlich gut. Sein Wissen und Können hängt er auch dann nicht an die große Glocke, wenn wie in unserem Falle mal eine Rettungssanitäterin nicht auf Anhieb eine Vene findet. Der Doc ist väterlich freundlich behilflich. „Medizin ist Handwerk, Orthopädie und Chirurgie ist Handwerk. Wenn man handwerklich gut ist und ich glaube, dass ich handwerklich gut bin, schon aufgrund meiner Ausbildung, kann man das.”

Das funktioniert natürlich auch auf Gegenseitigkeit. Die Rettungsassistenten sind gut ausgebildet und können hilfreiche Hinweise geben, sollte der Notarzt mal irgendetwas im Ablauf vergessen.

Ist es Leidenschaft und Idealismus?

„Ja, auf jeden Fall. Wenn du das nicht hast, kannst du es vergessen, dann ist der Dienst zu anstrengend. Es war heute Nacht bis jetzt nicht so aufregend. Manchmal sind es auch mal zehn Einsätze in einer Nacht.”

In der Zwischenzeit ist es fast zwei Uhr, der Doktor hat sich seinen zweiten Kaffee gemacht und der Schreiberling gibt für diese Nacht auf. Am nächsten Morgen erfahren wir, dass der Notarzt noch zwei Einsätze vor dem Morgengrauen hatte.

Aus dem aktuellen SWmagaz.in: http://swmagaz.in/swmagaz-in-ausgabe-9-2012

Text und Bilder: Jürgen Kohl – jkohl@revista.de

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