Dittelbrunn: Wer in der Schneiderwerkstatt der Großmutter aufwächst, dem ist das Handwerkliche wohl buchstäblich in die Wiege gelegt worden.
Und so bastelt und werkelt Gisela Lindner, seit sie denken kann. Bereits mit fünf Jahren strickte sie Hütchen für ihre erste Puppe. Später dann im eigenen Haus mit viel Platz wurden Gewürzkränze gebunden, Makrameeteppiche geknüpft und Rupfenpuppen gefertigt.
Seit 20 Jahren aber ist dafür keine Zeit mehr. Lindner hat zu ihrer eigentlichen Passion gefunden. Sie fertigt hochwertige Porzellanpuppen. Ein ganzer Kellerraum ist voll von frechen Lausbuben, erhabenen Prinzessinnen, weinenden Babys und hübschen Mädchen, sie lachen, schmollen, grinsen, staunen oder strecken die Zunge heraus – es gibt schier keinen Gesichtsausdruck, der hier nicht in Porzellan gegossen wäre.
In jedem dieser kleinen Wesen stecken 30 bis 40 Stunden reine Arbeitszeit. Die Werkstatt von Gisela Lindner ist voller Gießformen für Köpfe, Zungen, Arme, Beine, Brustplatten. In diese wird das aufbereitete flüssige Porzellan gegossen. Nach genau sieben Minuten muss es wieder zurück in den Kanister, in der Form bleibt die dünne Porzellanhaut, die später beispielweise als Bein vorsichtig aus der Form gelöst wird. Dann muss mehrmals geschliffen, gebrannt, bemalt und wieder gebrannt werden, bis die Porzellanteile so weit sind, dass sie mit dem Körper aus Nesselstoff verbunden werden können.
Jetzt beginnt die Feinarbeit am Kopf. Soll die Puppe grüne oder blaue oder gar braune Augen bekommen? Und welche Haarpracht passt zu ihr? Bei den Augen schwört Gisela Lindner auf mundgeblasene Glasaugen, „die sind einfach schöner als die aus Plastik“, weiß sie. Dennoch hat sie so ihre Bedenken. Wie lange wird es wohl noch Glasbläser geben, die solche Augen herstellen können, fragt sie sich. Neben den Augen bekommen die Puppen manchmal auch noch eine Zunge, die von innen eingeklebt werden muss, bevor die Kopfplatte geschlossen wird und Echtes oder Kunsthaar darauf kommt.
Jetzt muss das Puppenkind noch angezogen werden. Auch hier macht Gisela Lindner vieles selbst, sie strickt Trachtenjäckchen oder näht bunte Kleider. In den Regalen ihrer Werkstatt findet sich allerlei Zierrat für die Puppenkleidung. Auch ein Schuhregal ist natürlich dabei. Viele Kleinigkeiten sind nötig, bis so ein kleines Puppenkind das Herz seiner zukünftigen Puppenmutti gewinnen kann.
Aber Gisela Lindner ist nicht nur die Chefin ihrer eigenen Porzellanpuppenmanufaktur, manchmal schlüpft sie auch in die Rolle der Puppenärztin. Dann bekommt beispielsweise eine alte Schildkrötpuppe einen neuen Körper oder eine zerbrochene Porzellanpuppe wird wieder zusammengesetzt. In der ersten deutschen Puppenschule hat Gisela Lindner ihr Handwerk einst gelernt. Seitdem arbeitet sie mit Porzellan. Jede ihrer Puppen ist einzigartig, ein Unikat. Gemeinsam mit einer Gruppe von Kunsthandwerkern organisiert sie Ausstellungen und Märkte oder besucht bekannte Weihnachtsmärkte der Region. Wenn die Gruppe „Kre-Art-iv“ unterwegs ist, dann sind auch die Puppen Lindner dabei und so manche findet ein neues Zuhause.
