Stammheim: Die Darstellung am Museumsfrühling im Museum für Militär- und Zeitgeschichte in Stammheim war schon sehr realistisch.
Unterstrichen von Kriegslärm aus den Motoren anfliegender Tiefflieger und dem Rasseln der Panzerketten, boten die Darsteller alles auf, was den tausenden von Zuschauern richtig unter die Haut gegangen ist. Als dann die ‚Amis‘ eingelaufen sind und der Kriegslärm langsam abebbte, war auch bei den Zuschauern noch so etwas wie Erleichterung zu erkennen.
Das Museum für Militär- und Zeitgeschichte in Stammheim ist für spektakuläre ‚Museumsfrühlings-Veranstaltungen‘ bekannt. In diesem Jahr haben die Frauen und Männer, um den Museumsleiter Günter Weißenseel, mit dem Thema ‚Die Ami kumme‘ eine Publikumsattraktion geschaffen, die an den beiden Tagen tausende nach Stammheim gelockt haben.
Ernsthafter Anlass war das Kriegsende vor jetzt genau 70 Jahren. Mit einer großen Sonderausstellung erinnert das Museum an das schreckliche Leid und die Zerstörungen, die dieser Krieg über die Menschen bei uns brachte. In einer lebendigen Darstellung wurde mit originalen Panzern und Fahrzeugen der Einmarsch der Amerikaner nachgestellt.
Man konnte sich in die Zeit hinein versetzen, in der eigentlich jeder wusste, dass der Krieg vorbei ist, dass die Sache mit dem Endsieg eine Worthülse war, ausgedacht von der Kriegspropaganda. Es war klar, dass das letzte Aufgebot in Form von eilig eingezogenen Schülern und alten Rentnern, die den so genannten Volkssturm bilden sollten, nichts war, was die Amerikaner aufhalten konnte. Widerstand erschien mit jedem Tag sinnloser. Kein vernünftiger Mensch konnte den Endsieg-Parolen und Durchhalteappellen mehr glauben. Und trotzdem blieb der Zeitpunkt, die weiße Fahne aus dem Fenster zu hängen, ein sehr sensibler und unter Umständen lebensgefährlich. Noch waren die nationalsozialistischen Machtstrukturen nicht ganz verschwunden. Übereifrige aus Partei, Gestapo, SA und SS versuchten bis zum letzten Tag Fahnenflucht, Wehrkraftzersetzung und Verrat zu verfolgen. Ihr Auftrag war, die Panzersperren des Volkssturmes möglichst lange zu halten. Erst als die Gefahr für das eigene Leben, Hab und Gut durch die anrückenden Amis größer wurde als die Angst vor den Resten des nationalsozialistischen Regimes, erst dann trauten sich Bürger mit weißen Fahnen den amerikanischen Panzern entgegenzulaufen.
Genau das haben die Akteure in Stammheim nachgespielt. Beeindruckend war zu Anfang der Lärm der Tiefflieger, der aus einer leistungsstarken Soundanlage zugespielt wurde.
Luftabwehr gab es zu diesem Zeitpunkt keine mehr. Die Tiefflieger kamen ja am helllichten Tage. Sie haben auf alles und jeden geschossen. Das Tack-tack-tack der schweren Maschinengewehre an Bord war unüberhörbar. Wenn noch in den letzten Wochen des Krieges die Bombengeschwader in Richtung Würzburg geflogen sind, konnte man die Formationen am Himmel sehen und vor allem hören.
Man konnte in Stammheim zusehen, wie sie die Bomben ausklinkten und hörte die Detonationen in der Ferne.
Als am 16. März 1945 rund 500 Avro Lancaster-Bomber Richtung Würzburg und Nürnberg starteten, war Stammheim schon beinahe aufgegeben. Das verhältnismäßig kleine Würzburg wurde an diesem Tag zu einem noch größeren Anteil zerstört als Dresden. Ungefähr 300.000 Stabbrandbomben setzten die Stadt in Brand und lösten einen Feuersturm aus, bei dem über 5000 Menschen zu Tode kamen. Noch in einer Entfernung von über 200 Kilometern konnte man den Feuerschein der brennenden Stadt erkennen.
Beim Museumsfrühling in Stammheim ging das Ganze friedlich aus. Die Reenactors in Stammheim haben mit großer Liebe zu Details den Einmarsch nachgestellt, alles mit originalen Fahrzeugen, Uniformen und Waffen. Mehr als jede Erzählung oder jeder Film gehen solche Live-Vorstellungen unter die Haut.
Überhaupt ist das so genannte Reenactment ein Hobby, das viel persönlichen Aufwand erfordert. Oft wird das als ‚Kriegsspielen‘ belächelt. Eigentlich bedeutet es nichts anderes als ‚Nachstellung‘, gemeint sind konkrete geschichtliche Ereignisse möglichst authentisch. Geschichte kann auf diese Weise verständlich und erlebbar gemacht werden.
Bevor die Reenactors in ihre Rollen bei den Vorführungen schlüpfen, haben sie schon viel Vorarbeit geleistet. Das fängt schon damit an, die passende Kleidung bzw. Uniform zu finden. Die Authentizität einzelner Ausrüstungsstücke fordert oft viele Stunden Recherche und auf den Flohmärkten sind echte Uniformen schon lange nicht mehr zu bekommen. Die Preise für echte Teile liegen oft weit über dem, was sich ein Normalbürger nebenher leisten kann. So sind Uniformmützen, speziell von höheren Dienstgraden, oft nur für mehr als 2000 Euro zu bekommen. Da gehört schon Leidenschaft dazu, so ein Stück zum Zwecke einer Aufführung zu erwerben.
Den Vorwurf, dass Reenactors ideologisch einseitige Strömungen in diesen Bereich einfließen lassen, weisen die Akteure von Stammheim entschieden zurück. Untaten der Soldaten, der SS oder SA werden weder verharmlost noch geleugnet. Ausdrücklich distanziert man sich von nationalsozialistischem Gedankengut.
Das Museum in Stammheim ist bis zum 31. Oktober dienstags bis sonntags zwischen 10 und 18 Uhr geöffnet. Die nächsten Sonderveranstaltungen sind am 2. und 24. Mai die Modellbautage und am 6. und 7. Juni das Oldtimertreffen.
Text und Bilder: Jürgen Kohl