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Karl-Heinz Hennig, Kreisheimatpfleger – Heimatgeschichte, Kultur und Brauchtum

27.02.2012

Eigentlich hat Karl-Heinz Hennig vor nix und niemand Angst, höchstens davor, dass zu viel von und über ihn geschrieben wird. Er will nicht, dass seine Person in den Mittelpunkt gerückt wird. Dabei kommt man nicht umhin, ihn zu beschreiben. Seine Stimme ist kräftig, durch unzählige Vorträge gut trainiert. Seine Gestik ist so temperamentvoll wie der ganze Kerl. Sein Lebensalter ist irgendwie spurlos an ihm vorübergegangen. Er bricht sich keinen ab mit gekünsteltem Hochdeutsch, er redet Klartext in lupenreinem Dialekt.

Die Geschichte seiner Zeugung und Geburt ist, obwohl er immer darauf besteht nicht so viel ‚Roman‘ über ihn zu schreiben, alleine schon ein bühnenreifes Rührstück. Angefangen hat es damit, dass die Nazis in den 30iger Jahren ein Förderprogramm für Landwirte aufgelegt haben. Damit wollte man die Bauern dazu bewegen in ihren kleinen Bauernhäusern mehr Wohnraum zu schaffen. Mit dem Fördergeld sollten die Häuser aufgestockt werden bzw. ausgebaut.

Geld war offensichtlich für dieses Programm genug da, es gab reichlich Zuschüsse. Der Hintergedanke bei dieser ganzen Aktion war wohl, mit dem vergrößerten Wohnraum gleichsam als Nebeneffekt die ‚Produktion‘ von Kindern in den Dörfern anzukurbeln. Für die Errichtung des ‚1000-jährigen Reiches‘ wurden Soldaten gebraucht.

 

Geld für die ‚ländliche Entwicklung‘

Nicht nur in Hambach fand dieses Programm Zustimmung. Manche haben sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen und ihre kleinen Häuser aufgestockt und ausgebaut. Andere haben sich dieser ‚Kinderproduktionsabsicht‘ verweigert, die Idee ist nicht überall auf fruchtbaren Boden gefallen. Das ausgebaute Obergeschoss stand vielfach leer und man versuchte Mietleute aus der Stadt zu gewinnen. Die Tageszeitung war die Plattform, um auch für diese eine Dreizimmer-Wohnung einen Mieter zu finden. Das war 1936, die Familie Hennig wohnte in Schweinfurt, in einer winzigen Wohnung. Die Schwester war schon geboren und Karl-Heinz war unterwegs. Das Mietangebot aus Hambach kam gerade recht. Also, so erzählt Karl-Heinz Hennig seine eigene Geschichte, in Schweinfurt gezeugt und in Hambach geboren.

Ohne diesen durch ‚Führererlass‘ zum Ausbau der Bauernhäuser ermöglichten Umzug nach Hambach, hätte er auch später seine Frau, eine gebürtige Hambacherin, nicht kennengelernt. 1943 kam dann noch ein kleiner Bruder dazu, später noch eine kleine Schwester, in Hambach auf dem ausgebauten Bauernhof war jetzt genügend Platz.

 

Die „klenne Schul”

Die Volksschule war die erste Station seiner Bildung, die „klenne Schul”, das waren im damaligen zweigleisigen Schulsystem auf den Dörfern die Klassen eins bis vier. Die „grosse Schul” ging dann von Klasse fünf bis acht. Seine Erinnerungen an den Krieg und die Zeit unmittelbar danach sind auch heute noch sehr intensiv. Sehr plastisch sind die Bilder in seiner Erzählung. Man sieht ihn förmlich auf ‚die Ruum‘ (gemeint sind damit die Rübenhaufen) hocken und dem nicht enden wollenden Zug der Soldaten zuschauend.

 

Soldaten zogen durch Hambach

Tausende abgekämpfte, zerlumpte Gestalten in feldgrauen Uniformen hat Karl-Heinz von seinem Rübenhaufen aus beim Rückzug aus dem Osten beobachtet. Tagelang zogen sie durch Hambach. Bei den Hennigs im Hof hat man eine provisorische Feldküche für die schmale Verpflegung aufgebaut. Das war im frühen Jahr 1945, kurz bevor es mit dem Krieg zu Ende ging. Nachts haben die wandernden Lichtfinger der Scheinwerferbatterien den Himmel über Hambache hell erleuchtet. Die Bomben- und Granateneinschläge waren akustisch allgegenwärtig, an Schlaf war nicht zu denken .

 

Hambach ist nur knapp der Vernichtung entgangen

Lange hat sich Karl-Heinz Hennig später mit dieser Zeit beschäftigt und in vielen Quellen nachgeforscht. Dabei ist herausgekommen, dass Hambach nur ganz knapp der totalen Vernichtung entgangen ist. Der Ring der Flugabwehr um Schweinfurt herum hatte in Hambach einen Schwerpunkt. Am Weißen Sonntag 1945 am Abend, das war der 8. April, haben die Amerikaner angefangen Hambach zu beschießen. Spätere Nachforschungen haben ergeben, dass die Amerikaner am Dienstag von Giebelstadt aus Hambach dem Erdboden gleich machen wollten. Nur der zufällig rechtzeitige Rückzug der Bedienungsmannschaften an den Kanonen rund um Hambach hat diesen Schritt überflüssig werden lassen. Die halben Kinder als Flakhelfer hatten sich ihre Herkunftsorte mit weißer Zahnpasta auf die Helme geschrieben. Der fast 8-jährige Karl-Heinz hat alles aus nächster Nähe miterlebt. Am Dienstagfrüh sind die Amerikaner in Hambach einmarschiert. Niemand hat sich tagelang aus den Kellern getraut. Die Amis haben sich von Haus zu Haus durchgearbeitet und erst nach und nach konnten die Bewohner wieder an das Tageslicht.

 

Der Krieg war zu Ende

Den Kindern ist nichts geblieben. Der größte Schatz waren Schachteln voller Eisensplitter, die sie in den Kampfpausen eingesammelt hatten. An Schule war ein ganzes Jahr lang nicht zu denken.

Seine Erfahrungen und die Ergebnisse seiner umfangreichen Recherchen hat Karl-Heinz Hennig als Erwachsener in einem kleinen Buch niedergeschrieben. ‚Als der Krieg nach Hambach kam‘ ist der Titel des kleinen, höchst interessanten Büchleins, das penibel genau Details aus dieser Zeit widergibt. Verlegt wurde es durch die Pfarrei in Hambach und hat auch außerhalb Hambachs viele Leser gefunden.

In seiner Schlussbemerkung hat er geschrieben: „Als im Mai 1945 die deutsche Wehrmacht bedingungslos kapitulierte, war der Zweite Weltkrieg zu Ende. Es waren weltweit über 60 Millionen Tote zu beklagen.”

Nur langsam kehrte das, was wir heute als normales Leben empfinden, nach Hambach zurück. Aus den Kindern wurden Jugendliche und der sogenannte ‚Ernst des Lebens‘ begann.

 

Bei der SKF gelandet

Karl-Heinz Hennig fand eine Arbeit bei der Firma Nähmaschinen Meister in Form eines Ausbildungsplatzes. Gleich danach ist er wie viele Schweinfurter bei der Großindustrie gelandet. Vom Arbeiter zum Angestellten war damals noch eine wichtige Stufe im sozialen Aufstieg. Seiner SKF ist er 34 Jahre lang treu geblieben, bis zu seiner Pensionierung. Seine Fähigkeiten als Archivar hat man im neu gebauten SKF-Hochaus gleich erkannt und Karl-Heinz Hennig mit dem Aufbau des Firmenarchivs betraut. Er hat seine Frau kennengelernt, geheiratet und die Hennigs sind nach Gochsheim gezogen.

Als schicksalshaft kann man seine Bekanntschaft mit Josef Ehrlitzer bezeichnen. Er war es, der die Fähigkeiten des Karl-Heinz Hennig als Entertainer erkannte. Über Ehrlitzer kam er mit Walter Zänglein und Hans Driesel in Kontakt, zur Schwarzen Elf war es nicht mehr weit. Kein Wunder, in seinem Schulabschlusszeugnis steht: „Karl-Heinz ist mit einer besonderen Vortragsgabe gesegnet.”

 

Vom Entertainer

Diese Vortragsgabe war es dann auch die ihm den Job des Organisators von Jubilar- und Rentnerfeiern bei seinem Arbeitgeber SKF bescherte. Schon vorher hat Karl-Heinz Hennig neben seiner beruflichen Tätigkeit immer Vorträge gehalten. Elf Jahre lang hat er z.B. in Hambach mit dem Vortrag ‚Aus der Hambacher Vergangenheit‘ den Pfarrsaal mit jeweils drei Terminen im Jahr bis auf den letzten Platz gefüllt.

 

Zum Kreisheimatpfleger

Es war bei einem seiner viel beachteten Vorträge zum Ehrenabend zu ‚Unser Dorf soll schöner werden‘ 1973 in Grettstadt. In der großen Halle lauschten viele hundert Zuhörer den Ausführungen mit dem Thema: ,Geschichte, Kunst und Kultur im Landkreis Schweinfurt‘. Der damalige Landrat Dr. Burghard hat Karl-Heinz Hennig vom Fleck weg für das Amt des Kreisheimatpflegers engagiert. Den südlichen Teil des Landkreises betreut Longin Möslein von Gerolzhofen aus, den nördlichen, größeren Teil, Karl-Heinz Hennig. Erst hat er sich ein bisschen geziert und dann, nach einem ausführlichen persönlichen Gespräch mit dem Bezirksheimatpfleger und Landrat Burghard, doch zugesagt. Es war schon eine gewichtige Entscheidung, die er wohl überlegen musste. Hat er sich mit diesem Ehrenamt doch richtig viel Arbeit aufgehalst. Bei seiner Ausbildung hat ihn der Landkreis kräftig unterstützt. Ausbildungen hat er mit genommen so viel ihm angeboten wurden. Seminare zu vielen Themen hat er besucht, von Mundart über die Tracht, bis zur Baulandumlegung oder Flurbereinigung, überall hat sich der Heimatpfleger schlaugemacht.

Nach dem Tod des legendären Walter Zänglein 1985 landeten auf seinem Schreibtisch bei der SKF neben der Organisation der Jubilar- und Rentnerfeiern auch die Verantwortlichkeit für die vielen Freizeitangebote für die Mitarbeiter. Ausprobieren konnte er sich schon früher, bei der katholischen Jugend. Dort hat er schon für das ganze Dekanat Reisen und Freizeiten organisiert. Bei SKF war das aber eine riesige professionelle Aufgabe, jährlich ein Progamm zu entwickeln, mit über sechzig Angeboten. Soziale Leistungen dieser Art für die Mitarbeiter hatte man früher in der Großindustrie hoch angesiedelt.

Immer eine Mission im Gepäck

Immer wieder ist er in seiner Freizeit mit Diavorträgen durch die Lande gezogen, immer mit einer Mission im Gepäck. Mit der Serie ‚Muss denn unser Dorf so hässlich sein…‘ hat er fast allen Gemeinden den Spiegel vorgehalten und viele mit der Nase auf die ‚Sünden‘ gestupst, die oft ohne großen Aufwand zu beheben waren. Diese Serie war damals ein echter Beitrag zur Veränderung des Bewusstseins in den Dörfern. Karl-Heinz Hennig hat was bewegt.

Heute zählt seine Sammlung rund 35.000 KB-Dias, sorgfältig in Schachteln und Klarsichthängern archiviert, ein unerschöpfliches Archiv des Lebens in der Region aus den letzten 60 Jahren. Seine Bilder sind nicht nur auf seinen Landkreisteil beschränkt, er hat auch viele Bilder aus der Stadt in seinen Schachteln und er hat auch schon oft Vorträge über Alt-Schweinfurt gehalten.

Nach Dr. Burghard ist jetzt Harald Leitherer ‚sein‘ dritter Landrat. Mit allen ist er immer gut ausgekommen und alle waren mit seiner Arbeit, wie immer zu vernehmen war, bis heute sehr zufrieden. Bücher hat er eine ganze Reihe veröffentlicht. Eine Chronik über die Kirche von Hambach; ‚Als der Krieg nach Hambach kam‘; Ein Buch über die Mundart: ‚Grad naus, wie‘ s gewachsen is‘; zuletzt einen Kulturführer über den Landkreis Schweinfurt. Überhaupt liebt Karl-Heinz Hennig Bücher, er ist geschichtlich sehr interessiert. Sein Horizont endet nicht an den Grenzen des Landkreises. Karl-Heinz Hennig ist viel unterwegs, am wohlsten fühlt sich er sich aber an seinem Schreibtisch mitten in seinem Archiv. Seine Ideen gehen ihm nicht aus. Gerade jüngst hat er einen neuen Vortrag zusammengestellt: ‚Bildstockland Franken‘, auch der wird wieder Säle füllen.

 

Text und Fotos Jürgen Kohl

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