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Georg Blaschke: Leidenschaft Fahrräder – Ein Konzern will er nicht werden

08.11.2012

Aus dem aktuellen SWmagaz.in: Die Lieder des russischen Sängers, Schauspielers und Dichters Wladimir Semjonowitsch Wyssozki aus einer kleinen Anlage in der Ecke legen einen ganz besonderen Zauber über die kleine Werkstatt, die Georg Blaschke selbst als unaufgeräumt bezeichnet. Blaschkes Welt sind Fahrräder. Er und Wladimir Semjonowitsch Wyssozki haben auf den ersten Blick eigentlich nicht viel gemeinsam. Wyssozki war für den sowjetischen Staat äußerst unbequem. In seinen Liedern sang er auch über Themen, die es offiziell in der Sowjetunion nicht gab: Prostitution, Verbrechen, Antisemitismus. Er gilt heute in Russland als der größte Liedermacher des 20. Jahrhunderts. Bei seiner Beerdigung im Juli 1980 waren fast so viele Menschen auf den Beinen wie bei der Beerdigung Wladimir Iljitsch Lenin im Januar 1924. Irgendwie steckt die Begeisterung für den russischen Sänger an.

Auf den zweiten Blick sind die Gemeinsamkeiten schon größer, angepasst ist auch Georg Blaschke nicht und seine Wurzeln gehen zumindest in der letzten Generation in das Slavische. Seine Eltern sind Vertriebene aus Polen. Im Frühjahr war er das erste Mal selbst in Polen. Sein Vater wird jetzt 82 und es war ihm wichtig, das Land seiner Eltern mit eigenen Augen zu sehen. Georg Blaschke ist in Münster geboren und aufgewachsen. Seine westfälische Sprachfärbung klingt für unsere Ohren wie astreines Hochdeutsch. In Münster ist er auch zur Schule gegangen. Nach dem Abschluss hat er erst einmal eine Ausbildung zum Maschinenbaumechaniker gemacht und mit14 schon im Fahrradladen gejobbt. Münster zählt zu den größten Universitätsstädten Deutschlands und so hat er dann Maschinenbau, Fachrichtung Konstruktionstechnik studiert. Münster ist als Fahrradstadt bekannt, in Münster wird Fahrrad gefahren.

Die Leidenschaft für‘s Fahrrad

Durch einen Bekannten ist er nach Schweinfurt gekommen. Zuerst in die Entwicklungsabteilung der Firma Sachs und als Sachs die Fahrradsparte aufgegeben hat, zu SRAM. Jetzt konnte er seine Leidenschaft für Fahrräder auch beruflich ausleben. Dass später auch SRAM die Fertigung in Schweinfurt ausgelagert hat, ist dem internationalen Konkurrenzkampf geschuldet.

 

Die großen Fahrrad-Hersteller sitzen in Asien

Es macht wenig Sinn, Fahrrad-Naben nach Asien zu schippern, sie dort einzubauen, um dann das ganze Fahrrad wieder nach Europa zurückzutransportieren. Heimische Firmen wie z.B. Winora halten durch. Sie bauen aber ihre Rahmen nicht selbst, erklärt uns der Ingenieur beim Werkstattbesuch. Sie bekommen ihre Rahmen aus Asien und montieren hier nur. Trotzdem gibt es in Deutschland noch Rahmenbau, aber nur im unteren Preisbereich. Komplette Großserien, wie z.B. Aldi-Räder, werden hier bei uns gebaut.

Auf dem internationalen Markt bekommt man Billigrahmen schon für 8 Dollar, die kommen aus Vietnam, die teueren liefert Taiwan.

 

Anlass zum Selbermachen

In Europa konnte man 1992 keine vernünftig gefederten Mountainbikes kaufen. Es gab ein paar kleine Hersteller in den USA, die haben schon damals gute Räder gebaut, auf hohem handwerklichen Niveau. Schon während seiner Lehre zum Maschinenbaumechaniker hat Georg Blaschke Fahrradteile selbst gebaut, Bremsen z.B., die damals käuflichen Teile, waren ihm nicht gut genug.

2008, Georg Blaschke wird Unternehmer

Blaschke war zu diesem Zeitpunkt als Ingenieur schon elf Jahre bei Sachs und SRAM. „Ich näherte mich langsam der 40, da überlegt man schon, wie soll es weitergehen bis zur Rente. Es war immer mein Traum, Rahmenbauer zu sein. Also wenn, dann jetzt, mit 50 fängt man das ja normalerweise nicht mehr an.”

 

Von der Stadt auf‘s Land

„Zuerst haben wir mitten in der Stadt Schweinfurt gewohnt, über der City-Bank. Das war eine schöne Maisonette-Wohnung. Wir konnten auf das Dach der Markthalle schauen. 40 qm Dachgarten nur für uns alleine und den ganzen Innenhof. Meine Werkstatt, das war alles noch in Münster. Ich wollte unbedingt eine Wohnung mit Werkstatt. Ich habe Fahrradtouren gemacht durch den ganzen Landkreis, alle möglichen Immobilienangebote angeguckt und so bin ich hier in Geldersheim gelandet. Vorher haben ich mich genau informiert, wie es hier politisch aussieht. Ich hatte eigentlich Bedenken, in ein kleines Dorf zu gehen. Da ist man erst mal Außenseiter, das ist mit Sicherheit nicht einfach. Aber hier regieren die Freien Wähler und eine Frau als Bürgermeisterin, das muss schon relativ weltoffen sein. Wir wurden super aufgenommen, die Geldersheimer sind allesamt nette Leute.”

 

Ein großer Schub in Sachen Integration kam durch die Kinder

„In Geldersheim gibt es ein super Programm für junge Eltern. Da treffen sich die Geburten des Vorjahres im Frühsommer im Schützengarten, da wird ein Kuchenessen veranstaltet, der ganze Jahrgang kommt zusammen, die Leute lernen sich kennen und mein Rahmenbau hat sich langsam rumgesprochen.”

 

Konventionelle Werbung macht Georg Blaschke keine

Vielbeachtet ist sein fantastischer Blog

http://georgblaschkebikes.wordpress.com

in dem er detailliert über sich, seine Technik und seine Produkte erzählt. Dieser Blog ist der Beweis dafür, dass ein ‚Ein-Mann-Laden‘ erst recht heute neben den Großkonzernen erfolgreich sein kann.

 

Das Netz ist ein Segen

„Es gibt das Internet. Wer da ein bisschen rührig ist, hat eine gute Kommunikation mit seinen möglichen Kunden. Die Leute finden einen schon, wenn sie das wollen. Viele Leute sind es leid, Massenware zu kaufen. Denn die ist doch immer dasselbe und irgendwo ist an jedem gekauften Rad was dran, was einem nicht passt, was man gerne anders hätte.”

 

Qualität hat mit Nachhaltigkeit zu tun

„Die meisten meiner Kunden sind so in meinem Alter. Sie haben es nicht nötig jeden Trend mitzumachen. Viele meiner Kunden haben schon mehrere Fahrräder, aber irgendetwas stört sie bei jedem Rad. Sie möchten sich für die nächsten 10, 20 Jahre das Rad kaufen, das sie sich immer gewünscht haben. Einmal richtig ‚Butter bei die Fische‘ machen, Einfluss nehmen auf alle möglichen Details. Die Mehrzahl meiner Kunden ordern ein ganzes Rad. Sie wollen bis ins Detail beraten werden, sie wollen wissen, was zusammen perfekt harmoniert. Einige wenige bestellen nur den Rahmen, sie haben Spaß daran, ihr Fahrrad selbst zu bauen.”

 

Der Rahmen wird nach der Körpergröße berechnet?

„Das ist richtig, wobei meistens relativ viel nicht nur berechnet wird, sondern auch nach Gefühl und Augenschein geschieht. Im Internet kann man seine Rahmengröße ausrechnen lassen, dafür gibt es ausgefeilte Programme. Man gibt seine Körpermaße ein und es kommt ein Fahrradrahmen raus, die ganze Rechnung lässt persönliche Vorlieben außer acht. Die Menschen sind unterschiedlich, ob einer lieber aufrecht sitzen will oder über sein Rad gebeugt, darauf gehen die Computerprogramme nicht ein.”

 

Messen mit den Augen

„Ich schaue mir erst einmal ein vorhandenes Fahrrad des Kunden an. Dann fahren wir zusammen ein Stückchen, wir reden darüber, das ist eigentlich das wichtigste. Ich hatte bisher nur einen Kunden, der überhaupt noch kein Fahrrad hatte, aber der war nachher auch zufrieden. Das mit dem reinen Berechnen funktioniert im Profibereich. Wenn einer die Tour de France fahren will, werden die Körpermaße genommen, der muss aerodynamisch drauf sitzen, ob sein Rücken das mitmacht oder nicht. Wenn es ihm weh tut auf Dauer, kann er eben kein Profi werden. Wenn er bequemer sitzen will, nicht so aerodynamisch perfekt, gewinnt er halt kein Rennen, es gibt da wenig Alternativen. Aber überall dort, wo es darauf ankommt auf dem Fahrrad Spaß zu haben und natürlich auch als Hobbysportler erfolgreich fahren zu wollen, dort sollte nach 3, 4 Stunden auf dem Sattel nichts weh tun.

Im Vorgespräch werden dann auch die Komponenten ausgewählt, die verbaut werden sollen.”

 

Spielt die Lenkerform eine Rolle?

„Die Lenkerform hat großen Einfluss auf die Rahmenlänge. Ob der Lenker nach hinten gebogen ist oder ob es ein gerader Mountainbike-Lenker ist, das ist ein gravierender Unterschied. Wenn der Lenker nach hinten geht, muss der Rahmen länger sein, sonst sitzt man da völlig anders drauf. Es kann eine ganze Zeit dauern, bis man die perfekte, individuelle Geometrie herausgefunden hat.”

 

Was ist mit dem E-Bike-Hype?

„Bisher ist dieser Hype noch nicht hier angekommen. Irgendwann wird das mit Sicherheit ein Thema sein, es ist keine schlechte Sache, vor allem dann, wenn es Autofahrten ersetzt.

Es gibt Leute, die mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, auch Strecken von mehr als 20 km mit ganz normalem Fahrrad. Manche sagen, ich kaufe mir ein Elektrofahrrad, dann komme ich weniger verschwitzt im Büro an.

Kann man von einer kleinen Fahrrad-Manufaktur leben?

Seine Frau Katharina ist Psychologin mit einer Praxis in der Stadt, sie kommt auch aus Münster. Die Blaschkes haben sich von Anfang an auf ein Familienmodell geeinigt, bei dem beide für den Broterwerb zuständig sind.

„Wir haben es so geregelt: ich habe zwei Tage die beiden Kinder und meine Frau zwei Tage. Am Freitag und Samstag schaue wir immer, wie es am besten ist. Dieses Modell war immer unser Ziel. Ich bin frei, habe ja keine regulären Öffnungszeiten, kann abends in die Werkstatt oder am Wochenende, je nachdem was los ist. Ich habe zwei Werkstatt-Tage. Wir teilen uns Arbeit und Kinder relativ gleich.”

 

Text und Bilder: Jürgen Kohl – jkohl@revista.de

Aus dem aktuellen SWmagaz.in: http://swmagaz.in/swmagaz-in-ausgabe-10-2012

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