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Aufbruch mit demütigem Selbstbewusstsein

vom 15.11.2010 - 10:11 Uhr

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Schweinfurt/Haßfurt (POW): Nach der Errichtung der Pfarreiengemeinschaften im Bistum Würzburg soll das Glaubensleben vor Ort zum Blühen kommen.

„Es geht um eine missionarische Pastoral. Die geschaffenen Strukturen haben nur Sinn, wenn sie dem Prozess der Glaubensförderung dienen“, sagte Bischof Dr. Friedhelm Hofmann beim Regionalen Studientag zur Gestaltung der Seelsorge in den Pfarreiengemeinschaften für die Region Schweinfurt-Haßberge am Samstag, 13. November, im Kolping-Bildungszentrum in Schweinfurt. Mit einem demütigen Selbstbewusstsein als Kirche in der Gesellschaft aufzutreten und zu wirken – das sei heute gefordert, waren sich die rund 200 Haupt- und Ehrenamtlichen aus den Schweinfurter Dekanaten und dem Dekanat Haßberge einig. Das vom Bischof als „Tag des Aufbruchs“ bezeichnete Treffen stand unter dem Motto: „Denn es gibt sicher eine Zukunft!“

Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich massiv verändert und wirken sich auch auf die Seelsorge vor Ort aus: Dörfer wie beispielsweise in den Haßbergen und im Steigerwald leiden unter der demografischen Entwicklung und dem Wegzug der Jugend, Städte wie Schweinfurt beobachten eine massive Überalterung der Bewohner und einen hohen Migrantenanteil. „Die Gesellschaft befindet sich in einem gewaltigen Umbruch. Die Werteordnung ist stark ins Wanken gekommen, beispielsweise beim Lebensschutz“, stellte Bischof Hofmann fest. Priester- und Gläubigenmangel machten es schwer, Kirche vor Ort lebendig zu halten. „Wir müssen den Lebensraum der Menschen, in dem wir miteinander Kirche sind, gut anschauen und entdecken, wo sich die Menschen neu sammeln. Dort sollen wir dazu beitragen, dass der Mensch zu Gott und Gott zu den Menschen kommt“, lautete die Botschaft von Seelsorgereferent Weihbischof Ulrich Boom an die Haupt- und Ehrenamtlichen in den Pfarreiengemeinschaften.

„Die Menschen ziehen sich immer mehr auf ihren eigenen Bereich zurück. Für große politische Themen interessieren sie sich immer weniger“, war eine Beobachtung von Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé beim Podium mit Vertretern aus Politik und Gesellschaft. Eine große Herausforderung in Schweinfurt sei der Umgang mit älteren Bewohnern, die mit zunehmendem Alter unter Vereinsamung litten. „Die familiären Strukturen sind brüchig. Es ist nötig, die Nachbarschaftshilfen zu stärken.“ Einen vorurteilsfreien Dialog der Religionen mahnte Harald Mantel vom Projekt „Gerne daheim in Schweinfurt“ an – vor allem mit Blick auf über 60 Prozent Kinder mit Migrationshintergrund in den Kindergärten Schweinfurts. Je mehr andere in die Ecke gestellt würden, desto mehr würden Vorurteile verstärkt.

Jürgen Eusemann, Leiter des Schulamts Schweinfurt, riet der Kirche, interreligiöse Feiern an Schulen zu fördern. Wichtig sei, die anderen Religionen kennen zu lernen. Kirche solle ihre „guten Elemente und Rituale“ in die Schulen einbringen. Während in der Stadt Schweinfurt die Schülerzahlen stabil seien, gingen sie im ländlichen Umland wegen des demografischen Wandels zurück. Ein großes Problem in den Schulen sei das Leistungsdenken. Es gebe eine große Unsicherheit bei Lehrern und Eltern. Ute Suckfüll, Gleichstellungsbeauftragte des Landratsamts Schweinfurt, forderte die Kirche auf, die Veränderungen in den Familien mitzutragen. Nach wie vor liege die Hauptverantwortung für die Familie bei den Frauen. Eine Wahlfreiheit zwischen Beruf und Familie müsse in der Gesellschaft noch besser akzeptiert werden.

Als Mutmacher für die Seelsorger erwiesen sich Oberbürgermeister Remelé und Bischof Hofmann. „Stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel. Sie haben etwas zu bieten!“, betonte der Oberbürgermeister. Oft vermisse er das Selbstbewusstsein der katholischen Kirche. Sie müsse stärker mit ihrer Botschaft auftreten und diese in den Vordergrund stellen. „Kirche hat etwas zu bieten. Mir fehlt die Offensive.“ Bischof Hofmann appellierte, zuversichtlich auf neuen Wegen in die Zukunft zu gehen. „Es gibt eine sichere Zukunft. Sie kommt uns letztlich von Gott entgegen.“ Als Schwerpunkte der Seelsorge in den Pfarreiengemeinschaften nannte er das besondere Augenmerk auf Familien, die Feier ansprechender Gottesdienste und die Nutzung der vielfältigen Formen der liturgischen Feiern sowie die gelebte Nächstenliebe „als Gradmesser unserer Glaubwürdigkeit“.

Von einer Zeit des Übergangs sprach der Pastoraltheologe Dr. Bernhard Spielberg von der Universität Würzburg beim Blick auf die aktuellen Entwicklungen in der Seelsorge. Zentrale Herausforderung sei die wachsende Entfremdung zwischen kirchlicher Kultur und Gegenwartskultur. Kompetenz und Glaubwürdigkeit in religiös-spirituellen Fragen würden der Kirche nicht selbstverständlich zuerkannt. Das Leben der Kirche hänge davon ab, wie die Gemeinden vor Ort zu Offenheit gegenüber Menschen bereit seien, die dort wohnten. Notwendig sei eine Überwindung der Binnenfixierung. „Die Pfarreiengemeinschaften sind eine Struktur, um bei den Menschen sein zu können.“ Ein Auftrag ist nach den Worten Spielbergs die seelsorgliche Grundsicherung, wozu er erreichbare Sonntagsliturgien, die Feier der Sakramente, die Sorge um die Armen und Bedrängten sowie die Bestattung der Toten zählte. Dabei sei es wichtig, sich über jeden Menschen zu freuen, der zur Kirche komme, und auch Menschen, die nur zur Feier der Lebenswenden kämen, als Gäste zu empfangen. Für die Seelsorger konstatierte er einen beruflichen Wechsel vom „Seelsorger-Solisten zum Seelsorger-Dirigenten“, der die Ehrenamtlichen begleite und qualifiziere. Schwerste Aufgabe sei das Abschiednehmen von Gewohntem in der Seelsorge. Doch entlaste dies und schaffe Freiräume für gute neue pastorale Ideen.

Die Wertschätzung für das vielfältige Engagement der Haupt- und Ehrenamtlichen in den Gemeinden war am gesamten Studientag in vielen Wortbeiträgen der Bistumsverantwortlichen zu spüren. Bischof Hofmann sprach von den „lieben engagierten Schwestern und Brüdern“, von der „wertvollen Arbeit vor Ort“ und nannte das Treffen einen „Dankestag des Bistums an die Haupt- und Ehrenamtlichen“. „Sie sind unverzichtbare Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Aufbau des Reiches Gottes“, sagte er zu den Haupt- und Ehrenamtlichen. Gleichzeitig sprach er allen Leiterinnen und Leitern von Wort-Gottes-Feiern seinen Dank und seine Hochachtung aus. Herzmitte des Glaubens sei die Eucharistiefeier am Sonntag. Doch gäben die Wortgottesdienstleiter den Menschen die Möglichkeit zum Gottesdienstbesuch, wo das sonst nicht möglich wäre.

In einer abschließenden Runde betonte Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand mit Blick auf das pastorale Handeln im Bistum und in den Pfarreiengemeinschaften, es brauche ein stärkeres Miteinander der einzelnen Gruppen. Dazu sei eine erneuerte Sicht der Ortkirche nötig. Das Konzil habe mit Ortkirche primär nicht die einzelne Pfarrei, sondern das ganze Bistum als Teilkirche gemeint, in dem nicht alles gleichzeitig geschehen müsse. Horizont allen pastoralen Tuns sei das Reich Gottes und nicht einfach der kirchliche Binnenraum. „Glaubensmittel dürfen nicht zur Glaubensmitte werden.“ Nach den Worten Hillenbrands sei das Festlegen von Prioritäten und Posterioritäten ein geistlicher Prozess und dürfe nicht zu einem Verteilungskampf ausarten. Die Frage, wie die Gläubigen in Zukunft mit weniger Geld intensiver Christ sein könnten, müsse bei der Suche nach Schwerpunkten stets maßgebend sein. Generell brauche es als Grundhaltung ein demütiges Sendungsbewusstsein.

Weihbischof Boom legte den Vertretern der Gemeinden nahe, stets die spirituelle Dimension des Tuns im Blick zu haben. Den Wandel der Gemeinden gelte es als Chance zu entdecken. Domkapitular Clemens Bieber, Vorsitzender des Caritasverbands für die Diözese Würzburg, betonte, es sei wichtig, Caritas und Pastoral künftig stärker miteinander zu vernetzen. Kirchlich-karitative Einrichtungen wie Kindergärten und Sozialstationen könnten Kontaktstellen zur Kirche sein. „Der Grunddienst der Caritas ist für die Kirche Brücke zu den Menschen und für viele Menschen Brücke zur Kirche.“ Bischof Hofmann riet schließlich, die Sehnsucht der Menschen nach Gott aufzugreifen und ihnen zu helfen, diese Sehnsucht zu stillen. Angesichts des vielfältigen Engagements bräuchten die Gemeinden keine Angst vor der Zukunft zu haben: „Mir ist um die Zukunft der Kirche von Würzburg nicht bange!“

„Wir haben viele gute Impulse erhalten“, war am Ende des Studientages immer wieder zu hören. Von nachdenkenswerten und sehr guten Anregungen sprach der Leiter der Pfarreiengemeinschaft Hofheim, Pfarrer Gerd Greier, gegenüber POW: Er hoffe, dass der Alltag Raum biete, an den Themen dran zu bleiben. Noch seien viele Fragen zur künftigen Seelsorge vor Ort offen. Als Tag des Aufbruchs für die Pfarrgemeinderäte wertete der Dekanatsratsvorsitzende von Schweinfurt-Stadt, Werner May, das Treffen. Wichtig sei jetzt, die Impulse vor Ort besonders in der spirituellen Pastoral umzusetzen und den Aufbruch zu intensivieren. Dort müssten die Menschen in ihren unterschiedlichen Lebenssituationen wahrgenommen werden. Ähnlich beurteilte Haßberge-Dekan Stefan Gessner den Regionaltag. „Die zahlreichen Ideen müssen wir jetzt in den Gemeinden betrachten und vor allem das Abschiednehmen von manch Gewohntem diskutieren. Wir sind auf einem guten Weg und müssen weitergehen.“ Viele gute Impulse, aber zu wenig Zeit, um die Stimme der Teilnehmer zu Wort kommen zu lassen – so lautete das Fazit von Maria Hetterich, Vorsitzende des Dekanatsrats Schweinfurt-Süd. Ihre Kollegin von Schweinfurt-Nord, Luise Kraus, war sehr beeindruckt von einem ganz intensiven Gespräch von Gemeindevertretern mit dem Bischof, bei dem sie am Rande der Veranstaltung in aller Ausführlichkeit die konkrete Situation in der Seelsorge vor Ort schildern konnten.

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