Berlin/Mainfranken: Nach der vorläufigen Einigung zwischen der EU und den USA im Zollstreit erwarten die Unternehmen hierzulande künftig mehrheitlich weitere Beeinträchtigungen im transatlantischen Handel. Das geht aus einer aktuellen Blitzumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) unter rund 3.500 Betrieben aus dem gesamten Bundesgebiet hervor, darunter auch aus Mainfranken.
„Statt Erleichterung melden viele Unternehmen vor allem eins: zusätzliche Sorgen”, fasst IHK-Präsidentin Caroline Trips die Rückmeldungen zusammen. Eine wirtschaftliche Entlastung durch die Zolleinigung erwartet so gut wie niemand: Nur fünf Prozent der befragten Betriebe rechnen mit positiven Effekten. Über die Hälfte (58 Prozent) befürchtet neue Belastungen. Bei Unternehmen mit direktem US-Geschäft geben dies sogar drei Viertel (74 Prozent) an.
„Diese Einigung mag politisch notwendig gewesen sein, für viele Unternehmen – auch aus der Region – ist sie dennoch eine bittere Pille “, sagt Trips. „Sie bringt zusätzliche Belastungen statt Entlastungen: höhere Zölle, mehr Bürokratie sowie sinkende Wettbewerbsfähigkeit. Besonders problematisch: Es ist nicht einmal sicher, ob dieser Kompromiss hält. Nichts ist garantiert: Gerade deshalb muss die EU-Kommission in den weiteren Gesprächen dringend auf echte wirtschaftliche Verbesserungen drängen.“
Denn rund drei Viertel aller befragten Unternehmen (72 Prozent) spüren bereits jetzt negative Auswirkungen der bisherigen US-Handelspolitik – viele davon deutlich. Für Betriebe mit direktem US-Geschäft ist die Lage besonders bitter: Neun von zehn Betrieben sehen bereits jetzt negative Effekte. Die größte Belastung für diese Unternehmen ist die anhaltende handelspolitische Unsicherheit, insbesondere die Sorge vor weiteren Zollmaßnahmen. 80 Prozent der Befragten geben dies als zentrales Problem an. Fast ebenso viele, 72 Prozent, sehen im US-Basiszollsatz von aktuell zehn Prozent und der bevorstehenden Anhebung auf 15 Prozent eine spürbare Belastung ihrer Geschäfte.
Planungsunsicherheit friert Investitionen ein
Die handelspolitischen Unsicherheiten hinterlassen auch in der globalen Marktstrategie deutscher Unternehmen deutliche Spuren: 54 Prozent der befragten Unternehmen mit direktem US-Geschäft geben an, weniger mit den USA handeln zu wollen. 26 Prozent reduzieren ihre US-Investitionen oder legen sie auf Eis. Die Befragung zeigt auch: Höhere Zollkosten im US-Geschäft treffen nicht nur die Unternehmen in Deutschland: Von den Betrieben, die von einem veränderten Umgang mit Zollkosten berichten, geben 84 Prozent an, zumindest einen Teil der Mehrkosten an ihre Kunden in den USA weiterzugeben. Damit heizen die Zölle die US-Inflation weiter an. „Die US-Zollpolitik kennt keine Gewinner: sie schadet Unternehmen und Verbrauchern auf beiden Seiten des Atlantiks,” sagt IHK-Präsidentin Trips.
Angesichts der aktuellen Herausforderungen im US-Geschäft nehmen knapp zwei Drittel der deutschen Unternehmen verstärkt neue Märkte ins Visier. Für knapp drei Viertel davon (73 Prozent) gewinnt der europäische Binnenmarkt als stabiler und berechenbarer Wirtschaftsraum an Bedeutung. Auch der asiatisch-pazifische Raum rückt stärker in den Fokus, ebenso wie weitere europäische Länder außerhalb der EU. Ebenso gewinnen Märkte wie Mexiko und Kanada dabei an Attraktivität.
Partnerschaft zwischen EU und USA braucht wieder Verlässlichkeit
„Trotz aller Herausforderungen bleibt der transatlantische Markt für die deutsche Wirtschaft unverzichtbar,“ sagt Trips, die kürzlich selbst auf einer Delegationsreise in den USA war. „Was Unternehmen jetzt benötigen, ist ein verlässlicher Kurs. Statt ständiger Richtungswechsel braucht es endlich Stabilität – wirtschaftspolitisch wie handelspolitisch.“ Ihr Appell an die Politik: „Verlässlichkeit und Berechenbarkeit müssen wieder das Fundament der transatlantischen Partnerschaft werden – Symbolpolitik auf dem Rücken der Unternehmen gefährdet genau das. Der Standort USA darf keine wirtschaftliche Wundertüte werden.“
Symbolbild Image by Gerd Altmann from Pixabay