…und eine Kuh macht muh. So ähnlich ging der Witz, über den die Kinder früher gelacht haben. Dass die Eingangszeile wirklich stimmt, konnten wir in Brünnstadt bei Ines und Manfred Hauck aus eigener Anschauung erleben. Leider haben die schlechten Straßenverhältnisse am Tag, an dem sich der Winter noch einmal aufgebäumt hat, verhindert, dass wir schon zur Melkzeit in der Frühe im Stall sein konnten. Um sieben Uhr früh ist die Arbeit schon getan und die Kühe trotten wieder in ihren gemütlichen Stall. Die Milch ruht schön gekühlt in einem blitzeblanken Edelstahltank, der insgesamt rund 7.000 Liter fasst.
Auch die kleinen Kälbchen kommen in einer Art Kreißsaal zur Welt. Der Tierschutz und damit der Umgang mit den Tieren spielt auch in Brünnstadt die größte Rolle. Dieser ‚Kreißsaal‘ ist eine große extra Box, in der 2010 neu gebauten Stallanlage der Familie Hauck. Auf Bergen von weichem Stroh warten die werdenden Kuhmütter auf ihre ‚Niederkunft‘. Die Kühe können aufstehen, herumlaufen, sich wieder hinlegen, ganz so wie in einem echten Kreißsaal für die Geburt von Menschenkindern.
Geburt auf natürlichem Wege
Im Regefall plumpsen die Kälber ohne fremde Hilfe einfach raus und werden von den Kühen gleich versorgt und trockengeleckt. So ein frisch geborenes Kälbchen ist schon ein richtiger Brocken, rund 50 kg bringt es auf die Waage. Um zu vermeiden, dass die Kuh Mutterinstinkte entwickelt und nach ihrem Kalb zu schreien anfängt, bringt man sie lieber gleich weg. Das bemerken die Kühe überhaupt nicht und eine Bindung wird erst gar nicht hergestellt. Früher hat man die Kälber in einem eigenen Kälberstall gehalten. Das Problem war, dass die Luft durch den Atem recht feucht war und ein schlechtes Klima mit hoher Luftfeuchtigkeit die Kälber krank gemacht hat.
An der frischen Luft
Heute kommen die Kälber zu jeder Jahreszeit (also auch am Tage unseres Besuches mit jeder Menge Neuschnee) direkt in die Kälberiglus im Freien. Wenn die Kälber trocken sind, frieren sie nicht mehr. Die Iglus und der Platz davor sind mit Stroh ausgelegt und die Kleinen können sich in die Kunststoffiglus zurückziehen, abgeschirmt von Wind und Wetter. Wenn sie ihre Biestmilch bekommen haben, aus kleinen Eimern mit einem großen Schnuller, liegen sie eingerollt wie junge Hunde in ihren Kojen und dösen vor sich hin. Die Biestmilch wird von den Müttern manuell abgemolken, dabei wird peinlich darauf geachtet, dass jedes Kalb auch die richtige Milch bekommt. Nur die Milch von der eigenen Mutter kann die Abwehrkräfte auf das Kalb übertragen. Ohne diese Milch ist es kaum überlebensfähig. Das ganze ist recht aufwändig, zumal die Milch wie bei einer Babyflasche genau auf Temperatur gebracht werden muss.
Aufwändige Handarbeit
Dreimal am Tag bekommt das Kälbchen die Milch aus dem Eimerchen, eine Flasche wäre zu umständlich und mit der großen Menge Milch auch recht schwer zu halten. Rund 14 Tage bleiben die Kälber draußen in ihren Iglus. Wenn sie nicht dösen, gehen sie neugierig auf Besucher zu. Lecken hingestreckte Hände und haben dadurch, dass sie auf das Dorf gucken können und sich durch vorbei fahrende Fahrzeuge immer etwas vor ihren Augen bewegt, sicher kein langweiliges Leben. Gerade die optischen Reize sind für junge Tiere von Bedeutung. Nach der ersten Woche mit der Muttermilch wird langsam auf Fertignahrung umgestellt, eine Trockenmilchmischung ähnlich, wie bei einem Säugling.
Die Kälber lernen sich selbst zu versorgen
Sind sie 14 Tage alt wechselt, ihre Umgebung erneut, sie kommen in den ‚Kälberkindergarten‘. Dort gibt es richtige Tränkautomaten und die Kälber lernen sich selbst zu versorgen. Die Dosierung des angerührten Kälberpulvers ist individuell, es richtet sich nach Wachstum und Größe der Tiere. Rund 90 tummeln sich derzeit im ‚Kindergarten‘. Sie können frei durch die Gegend rennen und haben sozusagen einen eigenen Spielplatz, die Großen können sie nicht stören. Langsam müssen die Kleinen lernen, dass sie von Natur aus eigentlich Rauhfutterverwerter sind. Man fängt an ihnen Heu anzubieten. Nach ca. 10-11 Wochen, je nachdem wie sie sich entwickeln, wird die Fertigmilch ganz abgesetzt. Sie sollen ja mal richtige Milchkühe werden. Davon stehen z.Z. 160 im Stall von Familie Hauck.
Ein reiner Familienbetrieb
Auch die Haucks sind ein reiner Familienbetrieb. Im letzten Jahr gab es einen Riesenwirbel mit den Milchpreisen. Die großen Abnehmer haben die Preise in den Keller gedrückt. Das hat sich heute nach vernünftigen Gesprächen wieder etwas positiv reguliert. Schlimm war, dass zur gleichen Zeit die Futtermittelpreise explodiert sind. Im Futtertrog für die Kühe in Brünnstadt findet man Maissilage, Gras-silage, Heu, ein bisschen Stroh, alles Bestandteile, die von den Haucks selbst angebaut werden. Einzig eine kleine Menge Biertrester wird von einer Brauerei dazu gekauft. Nur der Anteil Eiweißfuttermittel dazu, also Sojaschrot, Kraftschrot müssen vom Händler bezogen werden.
Auch die Fleckviehrasse wird mit Bullen aus dem ‚Katalog‘ vermehrt. Ausgesucht werden die ‚Väter‘ nach gewünschten Kriterien. Auch diese Besamungsstation ist in Neustadt/Aisch. Man hat dort eine gute Sicherheit in Sachen Vererbung. Es gibt Bullen, die vererben mehr Richtung Milch. Es gibt Bullen Richtung höherer Fleischproduktion, andere haben Unterschiede in der Rahmigkeit (also dem Körperbau), erklärt uns der Landwirt beim Besuch. Dementsprechend werden die Bullen ausgewählt, der zur entsprechenden Kuh passen. Nur mit dieser Methode ist ein Zuchtfortschritt möglich. Manfred Hauck züchtet seine Kühe selbst, die neu geborenen Kälber, die in den Iglus sind die Kühe von morgen, sie sichern den Fortbestand seines Betriebes.
Bei aller ausgeklügelten Zuchtstrategie bleibt das immer auch ein bisschen Glückspiel. Nehmen wir die Kuh Lilly, in ihrer Milch sind die Eiweißwerte ein bisschen geringer als im Durchschnitt. Manfred Hauck sucht einen Bullen aus, der viel Eiweiß vererbt. Ob es natürlich so funktioniert wie ausgedacht, ist eine Sache der Natur. Das merkt man erst hinterher. Die Eiweißwerte sind besonders wichtig für die Käseproduktion.
Milch geht an die Genossenschaft
Die Milch aus Brünnstadt landet bei den Milchwerken Mainfranken, das ist eine genossenschaftliche Molkerei, an der auch die Haucks Anteile gezeichnet haben und dort Mitglied sind.
Milch ist und bleibt ein gesundes, streng überwachtes Lebensmittel
Es kommt kein Liter Milch in den Handel, der nicht vorher untersucht worden ist. Wenn der Milchfahrer kommt, wird grundsätzlich eine Probe gezogen. Wenn da Antibiotika drin wären, würde er sofort einen Alarm auslösen, er könnte den Tank in der Molkerei gar nicht abtanken.
Wenn in Brünnstadt eine Kuh behandelt werden muss, das kann durchaus mal vorkommen, wird von der Molkerei keine Milch abgenommen, so lange bis die Proben vollkommen rückstandsfrei sind, erst dann gibt es grünes Licht. Jede Medikamentenanwendung muss vom Halter und vom Tierarzt dokumentiert werden, da gibt es keine Ausnahmen. Es ist also garantiert, dass Kinder und Erwachsene Milch als gesundes, streng überprüftes Nahrungsmittel auf den Tisch bekommen.
Die Bänder, die die Kühe um den Hals tragen, sind Transponder. Das ist ein für jede Kuh individueller Sender, mit dem die Kuh z.B. Nahrung an einem Automaten anfordert. Auch welche Milch von welcher Kuh kommt wird damit identifiziert. Ein raffiniertes System, das die Milchviehhaltung transparent macht.
Jürgen Kohl
Aus dem aktuellen SWmagaz.in