Halbzeit bei der Ideenfindung: Wie gut ist die Resonanz? Die Resonanz ist sehr gut! In den ersten zwölf Tagen der Ideenfindung haben sich 150 Personen für „Schweinfurt nach der Army“ registriert, 90 diskutieren aktiv mit und haben 113 Ideen eingebracht. Dabei liegt die Zahl der unangemeldeten BesucherInnen ja noch viel höher: durchschnittlich besuchen jeden Tag ca 250 Personen die Diskussion und bleiben dort etwa 7 Minuten. Diese Zahlen belegen, dass die Schweinfurter die Möglichkeit zur Mitsprache gut annehmen. Und nicht nur das – die Beiträge und Ideen sind allesamt inhaltlich durchdachte Vorschläge, sehr konstruktiv und kenntnisreich. Auch die Diskussion der Ideen untereinander klappt hervorragend.
Gibt es Chancen auch für eine dauerhafte Form der Online-Bürgerbeteiligung?
Die gibt es immer – Demokratie lebt davon, dass die Bürger sie mitgestalten. Man muss aber schauen, welche Art der Mitsprache wann sinnvoll ist. Eine Ideenfindung kann man nicht auf Monate oder Jahre ausdehnen, da macht niemand mehr mit. Nach dieser sehr intensiven Phase sind erst einmal die Fachleute dran, die die Flächen genau unter die Lupe nehmen und schauen, was wo machbar ist. Aber auch die Bürger sollten dranbleiben und sich weiter für ihre Vision der Nachnutzung stark machen. Manche Dinge brauchen ja auch Zeit und viel Vorbereitung. Ein selbstverwaltetes Wohnprojekt beispielsweise entsteht aus der Initiative und der Beharrlichkeit der Bürger. Man muss sich also zusammentun und die Beteiligung an der Konversion ein Stück weit selbst sichern. Die Ideenfindung kann dafür nur ein Auftakt sein.
Was machst du als Moderatorin?
Ich beobachte die Diskussion, reagiere auf Fragen oder frage manchmal selbst nach. Vor Allem versuche ich die Diskussion immer wieder zu bündeln und zusammen zu fassen, damit auch Neueinsteiger eine Chance haben – sonst sind die ganz erschlagen, wenn sie die vielen Beiträge sehen und denken, dass sie alles durcharbeiten müssen um mitzureden. Außerdem gebe ich zusammen mit meinen Kollegen Hinweise auf Projekte, die für die Situation hier in Schweinfurt interessant sein könnten – viele Städte in Deutschland haben ja schon eine Konversion hinter sich gebracht. Diese Beispiele liefern wertvolle Ideen, wie man die Sache auch hier angehen kann oder was man auf keinen Fall tun will.
Du sitzt aber nicht selbst die ganze Zeit da und schaust was die Leute machen oder?
Nicht die ganze Zeit – das wären drei harte Wochen ohne Schlaf ;) Ich habe meine festen Zeiten, an denen ich am Rechner sitze, Beiträge lese und selbst welche schreibe. Zwischendrin schaue ich auch mal rein, allein schon weil ich neugierig bin wie sich die Diskussion entwickelt. Meine Kollegen von Zivilarena helfen mir, die Diskussion zu beobachten und geben mir im Zweifelsfall Bescheid wenn Handlungsbedarf besteht. Einer von uns ist also immer dran.
Du hast Kulturwissenschaften studiert, was haben Kulturwissenschaften mit Moderation zu tun?
Eine ganze Menge. Die Beiträge und Ideen beziehen sich ja auf das gemeinsame Zukunftsprojekt der Konversion der Militärflächen: Welchen Stellenwert soll Bildung künftig hier haben? Wie stellen wir uns die Gemeinschaft der Generationen vor? Wie gehen wir mit der Natur um? In den verschiedenen Debattenbeiträgen dazu zeigen sich unterschiedliche Vorstellungen vom Zusammenleben – und das ist Kultur. Die jetzige Ideenfindung ist daher ein wichtiges Werkzeug für die Bürger, um sich über ihre Vorstellungen auszutauschen und vielleicht ein gemeinsames Kulturverständnis zu entwickeln.
Wie geht man als Moderatorin mit Beschimpfungen und Beleidigungen um?
Die nimmt man am Besten nicht persönlich, sondern denkt daran, dass man als Moderatorin eine bestimmte Funktion ausfüllt. Und diese Funktion als Leitende oder Lenkende ist eben auch ein Magnet für Frustration oder Aggressionen. Wenn es richtig unschön wird, dann muss man auch Stop sagen – und zwar klar und deutlich.
Was war das heftigste was du als Moderatorin erlebt hast?
Heftig ist es, wenn niemand diskutieren will und bleierne Stille herrscht. Das ist fast schlimmer als eine tobende Menge. Zum Glück haben wir in Schweinfurt weder das eine noch das andere. Und daher macht es hier auch richtig Spaß!
Das Interview führte Julian Bauer – jbauer@revista.de