Alle Enten heißen Ferdinand
Alle drei Enten haben nur einen Namen, egal ob Männlein oder Weiblein: sie heißen alle Ferdinand. Martha Fischer und ihr Mann Hans, hauptberuflich ist Hans Fischer Bürgermeister in Schwebheim, haben die Enten in Zeuzleben gesehen und gleich adoptiert. Genau zu dem Zweck, dass sie in Martha‘s Garten möglichst vielen Schnecken den Garaus machen.
Indische Laufenten
Die Laufente oder Indische Laufente wird auch Flaschenente genannt. Eigentlich ist sie ja eine ganz gemeine Stockente, zumindest von der Abstammung her. Vor allem in den englischen Gärten hat man sie gehalten, weil sie eben aufmerksam und sehr agil den Schnecken nachjagen. Die Enten sind standorttreu, sie kommen auch nach ihren Ausflügen immer wieder in ihr Paradies in die Hadergasse zurück. Verkehrstechnisch haben sie ohnehin Vorfahrt in der Hadergasse.
Jedenfalls haben sich bis jetzt alle Autofahrer daran gehalten.
Der Bürgermeister ist Bezugsperson
Amtliche Bezugsperson ist der Bürgermeister höchstpersönlich, er füttert sie jeden Tag. Wenn er in der Früh aus dem Haus geht, die paar Schritte zum Rathaus selbstverständlich zu Fuß, watscheln sie ihm hinterher, zumindest bis zur Gartentür. Des Bürgermeisters scharfes: „Gett ihr jetzt hemm”, veranlasst die Ferdinands umzudrehen und in ihren Garten zurück zu watscheln, zumindest tun sie so. In Wirklichkeit warten sie bis der Bürgermeister in seiner Ratsstube verschwunden ist, um dann ausgiebigen Besichtigungstouren in den Nachbarsgärten nachzugehen.
Zum Brüten nach Grettstadt
An diesem Beispiel sieht man, dass die Macht der amtlichen Autoritäten auch nicht mehr das ist, was sie früher einmal war. Als Wachhund wie Gänse z.B., sind sie nicht tauglich. Fremden gegenüber sind sie eher scheu, die Flucht in den Gartenteich scheint der sicherere Platz. Nachwuchs scheint für die Ferdinands kein Thema zu sein, klauen doch die Marder immer wieder die Eier weg. Im naturfreundlichen Haus der Fischers sagt man sich, okay, die Marder wollen auch leben. Jetzt will man aber doch mal Nachwuchs und bevor die Marder wieder zuschlagen, konnten zehn von den Eiern zum Ausbrüten nach Grettstadt gebracht werden. Vielleicht klappts ja diesmal mit dem Nachwuchs, damit auch in Zukunft die Schnecken in Martha‘s Garten kurz gehalten werden können.
Vor 35 Jahren gebaut
Genug jetzt von den Enten, eigentlich ist ja Martha‘s Garten unser Thema. Vor 35 Jahren haben die Fischers das Haus in der Hadergasse gebaut, der Garten war zu allererst einfach nur Bauplatz außenrum. Ein paar Gemüse und Salatbeete und ein paar Blumen, das wars. Durch die eigene Landwirtschaft war überhaupt keine Zeit für Garten. Die Hadergasse war überhaupt für die beiden Fischers Lebensmittelpunkt von klein auf.
In der Hadergasse aufgewachsen
Beide sind dort aufgewachsen, aber im Sandkasten miteinander gespielt haben sie nicht. Der Hans war der Kumpel von Martha‘s Bruder. Dass sie mal dem Fischers Hans seine Frau wird, hat sich Martha nicht träumen lassen. Es kommt ja ohnehin anders als man denkt…
Martha hat einen Bruder und eine Schwester. Sie sind mit der Landwirtschaft aufgewachsen, ein normaler landwirtschaftlicher Betrieb mit Kräuteranbau, Vieh war auch da, der Vater war Schäfermeister. In den Sechzigern arbeitete der Vater in der Großindustrie, hat aber immer als Nebenerwerbslandwirt weitergemacht. Martha hat als Kind schon immer mitgemacht, ihre ältere Schwester hatte keinen Bezug zur Landwirtschaft, sie hat dafür lieber im Haus gewerkelt.
Als er Bürgermeister wurde
Als Hans Fischer dann Bürgemeister wurde, beide waren da schon lange verheiratet, wollte er unbedingt einen Gartenteich. Die treusorgende Ehefrau dachte sich, als Ausgleich für die sitzende Tätigkeit ist das Anlegen und die Pflege eine Teiches gut für die Gesundheit. Einen Hintergedanken hatte Martha auch gleich dabei, sie wollte einen eigenen Bauerngarten, nicht zur Selbstversorgung, die war geregelt, nur um die Bauerngartentradition zu erhalten. Also, das „Geschäft” war perfekt, Hans Fischer fing an zu graben und Martha auch. Jeder an einem anderen Ende, Platz war auf den rund 3000 qm ja im Überfluss vorhanden. Selbstversorger waren die Fischers schon immer. Der ebenso große Garten im Elternhaus musste dafür herhalten.
Kochen für 17 Personen
Heute noch kocht Martha Fischer jeden Tag für 17 Personen.
Die Kompetenzen waren klar geteilt, Hans Fischer ist für den Selbstversorger-Garten zuständig, Martha Fischer für ihren Garten am Haus. Die einen haben streng getrennte Kassen, die Fischers haben streng getrennte Gärten.
Die Liebe zu den Rosen
Es war ungefähr vor zehn Jahren, da hat Martha Fischer ihre Liebe zu den Rosen entdeckt. Langsam hat sie ihren Garten umgebaut. Die Rose, eine Pflanze die im Gegensatz zu allem steht womit sie bisher zu tun hatte. Die Rhodologie ist eine Wissenschaft, der man verfallen kann. Vielleicht ist es ja die besondere Form von Stamm, Ästen und Zweigen, die mit Stacheln besetzt sind, welche die Gärtnerin so fasziniert. Diese Dornen dienen zum einen als Schutz gegen Tierfraß, zum anderen zum Festhalten an den Stützen. Dornen gibt es in einer wahnsinnigen Vielfalt: hakig, sichelig, leicht gekrümmt, gerade, Nadelstachel und Stachelborste. Genau so vielfältig ist der Duft der Rosen, Martha gerät geradezu ins Schwärmen, wenn sie sich eine Blüte vor die Nase hält. Mit Rosengelee, Rosenlikör und Rosenbowle experimentiert sie recht erfolgreich. Die Namen der weit über hundert einzelnen Arten sind ihr geläufig.
Martha, die Kräuterbäuerin
Als Kräuterbäuerin hat sie noch im letzten Jahr gearbeitet. Heuer hat sie, was die Arbeit auf dem Feld anbelangt, zum ersten Mal kürzer getreten. Der Kräutertourismus wird nämlich langsam immer größer. Zwei Busse voll Besucher in einer Woche, die neben dem Rundgang auf den Feldern auch immer noch mal was mit Kräuter probieren wollen, sind keine Seltenheit. Martha bietet dann Kräuterfettbrote und einen Kräutertee draußen in ihrem Garten an und ist damit zur Botschafterin für das Schwebheimer Kräutergärtlein geworden.
Immer offene Türen
Angefangen hat das vor über dreißig Jahren, mit der Idee, den eigenen Bauernhof für die Leute zu öffnen. Der Tag der offenen Gartentür oder des offenen Bauernhofes war damals noch nicht erfunden. Der Gedanke dahinter war, zu zeigen, dass Schwam was besonderes ist.
Arbeit ist Entspannung
Ihre vielen Aufgaben sieht sie nicht als Arbeit, es ist für sie Entspannung. Der Wille, im Garten immer irgendwas umzugestalten, treibt sie an. In der Stadt zu leben könnte sie sich nicht vorstellen, überhaupt irgendwo anders zu leben, als in der Hadergasse in Schwam, wäre für Martha Fischer undenkbar. Eine Woche Urlaub geht gerade noch so. Am zweiten Urlaubstag zählt sie schon, wie viele Nächte sie noch schlafen muss bis sie wieder in die Hadergasse zurück darf. Der Satz: „Wir könnten doch einen Tag eher heim…” führt dann schon mal zu Widerspruch des Ehegatten.
Für ihre drei Enkel hat sie im Garten ein buntes Baumhaus gebaut. Ihr Sohn ist mit seiner Familie in Schwebheim geblieben.
Die Tochter wohnt und lebt in Dachau.
Selbst der Dachauer Schwiegersohn ist von dem Schwamer „Hadergassenvirus” infiziert, auch er sagt heute: „Hopp, mer fahrn wieder mal hemm.”
Für die Enkel aus Dachau sprechen Opa und Oma ohnehin kein Deutsch…
Als Wachhunde, in der Art wie Gänse, sind die Ferdinade nicht zu gebrauchen. Vor dem Fotografen sind sie durchgegangen, vielleicht hat ja einer gepetzt, dass der Fotograf einen gültigen Jagdschein besitzt.
Ein Artikel aus dem aktuellen SWmagaz.in