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Tür zu – Das unrühmliche Ende einer Institution

25.08.2011

In der Ausgabe vom Bad Kissinger Landkreismagazin im Januar 2003 stand folgender Bericht über die letzten Tage des Bad Kissinger Schlachthofes der Bad Kissinger Ochsenkathedrale. Seit dieser Zeit steht der Schlachthof leer. Alle Versuche, das einer Basilika ähnliche Schlachthaus einer anderen Nutzung zuzuführen sind bis dato gescheitert. Das unter Denkmalschutz stehende Bauwerk ist renovierungsbedürftig und sicher nicht leicht zu vermitteln.

Hier der Text über die letzten Tage der Ochsenkathedrale:

Vegetarier und vermeintliche Tierfreunde werden sich mit Grausen abwenden. Der Besuch in einem Schlachthof ist wahrlich nichts für schwache Nerven. Die Diskussion darüber, wer der bessere Mensch ist, derjenige der sich mit Fleisch ernährt oder der, der sich rein pflanzlich ernährt, ist alt.

Denen, die Fleisch und Wurst essen sei gesagt: Voraussetzung für jeglichen fleischlichen Genuss ist der Tod des Tieres, auch dann, wenn der Genuss geschickt in einem Hamburger verpackt ist wie z.B. bei McDonalds nebenan.

Das ist alles nicht mehr relevant. Die letzte Chance dem Tod „ins Auge zu blicken”, ist zumindest in Bad Kissingen ohnehin vertan. Der Bad Kissinger Schlachthof hat zum Jahreswechsel für immer seine Tore geschlossen. Der Betrieb ist unwiderruflich eingestellt.

Nicht, dass der Schlachthof irgendwelche Unzulänglichkeiten aufzuweisen gehabt hätte. Nein, die hygienischen Verhältnisse waren zu jeder Zeit einwandfrei. Nie hatten die Arbeitsbedingungen oder irgendwelche anderen Dinge zu Beanstandungen geführt.

Es war ein Gerichtsbeschluss, der zum Bau des Schlachthofes führte. Im April 1832 ging bei der Verwaltung eine mit 50 Unterschriften versehene Beschwerde ein. Die Proteste richteten sich gegen die mit Blut und Wasser gefüllte Dungstätte des Metzgermeisters Franz Bieberich in der Kirchgasse. Das Landgericht verfügte, dass an die Erbauung eines Schlachthofes umgehend herangetreten werden müsse. 1833 wurde mit dem Bau begonnen. Dieses alte Schlachthaus genügte nur zwei Jahrzehnte den Anforderungen. 1859 wurde dann die Errichtung des neuen Schlachthauses mit Fleischbänken beschlossen. Nach langem Hin und Her und wegen der inzwischen eingetretenen Kriegsereignisse wurde 1919 die Idee des neuen Schlachthofes wieder angegangen.

Der Schlachthof hatte nicht nur die Bedürfnisse der Einwohner zu decken, sondern auch die der zahlreichen Kurgäste und Saisonarbeiter. Es war eine Auslegung für mindestens 30.000 Personen vorgesehen.

Der Bauplatz sollte flussabwärts gelegen sein, günstige Zufahrtsverhältnisse besitzen und die Wasserversorgung und die Entwässerung musste problemlos durchgeführt werden können.

Nach langen Beratungen wurde das Gelände gefunden und man entschloss sich nach verschiedenen Besichtigungen das so genannte Deutsche System mit einer Verbindungshalle zu bauen.

Das war dann die Geburtsstunde der Ochsenkathedrale, wie sie genannt wird. Mit 55 Meter Länge, einer Breite von 12 Metern und einer Höhe von 17 Metern wirkt sie wirklich wie ein Kirchenschiff. Dabei diente sie eigentlich nur dazu, die einzelnen Räumlichkeiten zu verbinden. Da konnten dann die geschlachteten Teile geschützt vom Unbill des Wetters zwischen Schlacht- und Kühlräumen transportiert werden. Überhaupt haben die Stadtoberen von damals einen Schlachthof als eine Einrichtung der öffentlichen Vorsorge gesehen und waren bei der Ausstattung, anders als heute, gar nicht geizig. So sind an den Wänden der Halle bis auf die Höhe von 5 Metern blaugrüne Siegersdorfer Keramikplatten zu sehen, liebevoll mit Tiermotiven unterbrochen. Die mächtigen Fenster an den Giebelwänden lassen Licht in die Halle strömen.

Oben herum führt eine Galerie, die eher an ein Theater erinnert als an einen Schlachthof. An der Stirnseite führt eine monumentale Treppe zur Galerie. Überlebensgroß thront dort der Hl. St. Lukas, der Schutzpatron der Metzger auf einem Sockel.

„Möge das bedeutsame Werk, in schwerer Zeit begonnen und ausgeführt, der Stadt Bad Kissingen zum Nutzen und Segen gereichen.“ Diesen Satz hat der damalige Bürgermeister Dr. Pollwein seinen Bürgen 1925 in die Festschrift geschrieben. 2005 hätte diese Einrichtung ihren 80. Geburtstag feiern können. Der Todesstoß kam eher.

Die EG mit ihren manchmal wenig Praxis orientierten Bestimmungen und Vorschriften haben der „Ochsen- Kathetrale” diesen Todesstoß versetzt. Teure Umbauten hätte es gebraucht, die zum Teil sicher auch beim Denkmalschutz auf Widerstand gestoßen wären. Zu allem Übel schien auch ein Kosten deckender Betrieb dieser Einrichtung immer weniger möglich.

Die Stadt war im Zeichen immer schmäler werdender Finanzspielräume nicht mehr bereit das Defizit zu tragen und hat im Unterhalt eines Schlachthofes wohl auch keine Daseinsfürsorge für die Bürger mehr gesehen.

So wurde im letzten Jahr (2002) beschlossen den Betrieb einzustellen. Ob ein leer stehendes Baudenkmal ohne Funktion das Stadtsäckel weniger belastet, steht auf einem anderen Blatt.

Das alles ist Geschichte, Geschichte, die uns jedenfalls so interessant erschien, um dem Schlachthof an seinen letzen „Arbeitstagen” einen Besuch abzustatten.

Arbeit im Schlachthof heißt immer früh aufstehen. Um sechs Uhr, wenn in vielen Haushalten der Wecker klingelt, machen die Kopfschlächter schon die erste Brotzeit.

Kopfschlächter, auch so ein Wort das grausam klingt, aber einen ganz anderen Hintergrund hat wie auf den ersten Blick vermutet. Die Kopfschlächter heißen nur deshalb so, weil sie nach der Anzahl der geschlachteten Köpfe bezahlt werden. Also ein durch modernes leistungsgerechtes Entlohnungsprinzip.

Wer da glaubt Menschen, die im Schlachthof arbeiten, sind eine besonders harte und rohe Spezies irrt gründlich. Unter denen, die dieses „Geschäft” für uns Fleischesser mit dem Messer betreiben, finden sich auffallend viele feinsinnige Gemüter.

Die Gespräche untereinander sind oft viel gefühlvoller als in modernen Business-Branchen. Rücksichtnahme und das Miteinander, neudeutsch Teamwork sind zwingende Voraussetzungen für diesen harten Job. In einem Schlachthof sind traditionell die ersten Wochentage Schlachttage. In Bad Kissingen war das der Montag.

Kurz nach vier hat der technische Betriebsleiter die Lichter angeschaltet. Emil Trautenbach aus Sulzthal ist schon seit sieben Jahren Betriebsmeister im Schlachthof. Der Chef der Kopfschlächter, Metzgermeister Peter Franz, hat sein warmes Bett in Westheim auch schon vor rund einer Stunde verlassen. Viel besprochen wird da nicht, jeder weiß was er zu tun hat. Was getan wird, wird äußerst flink getan.

Der erste treibt die Schweine aus den Ställen in die Tötungsbox. Der zweite Mann betäubt die Schweine mit der Elektrozange. An den hinteren Beinen hochgezogen hängt das Schwein dann am Elivator, eine Art Aufzug, der in ein Transportband in der Decke mündet. Ein weiterer Metzger desinfiziert die Einstichstelle am Hals des Schweins mit einer Gasflamme, damit keine Bakterien über die Blutbahn in das Fleisch gelangen können. Die eigentliche Tötung erfolgt dann durch den Blutentzug, das Abstechen mit dem Messer.

Die nächste Station ist dann die Brühwanne, bei 62 Grad, das ist die vorschriftsmäßige Temperatur, werden Borsten und Klauen so aufgeweicht, dass sie die Putzmaschine mit ihren Gummischlegeln und Walzen leicht abbekommt. Eine Gasflamme sengt dann verbleibende Reste ab und tötet vor allem vom Stall mitgebrachte Bakterien. Bei Sauen von 200 kg und mehr muss dann auch schon mal mit der Hand und der Schabeglocke nachgearbeitet werden.

Jetzt werden die Tiere vom Betriebsmeister nummeriert und gekennzeichnet, damit sie nach dem Schlachten auch ihrem rechtmäßigen Besitzer zugeordnet werden können.

Jetzt am Spreizhacken hängend wird die Bauchdecke aufgemacht und die Kuttelei entnommen. Der Fleischbeschauer, Emil Trautenbach hat sich für diese Aufgabe durch Kurse fit gemacht, beschaut den Darm und die Lymphknoten. Lunge, Leber und Innereinen werden vor der Verwertung noch einmal extra beschaut. Mit dem Spalter wird der Schlachtkörper dann halbiert.

Freigegeben und mit dem Stempel KG versehen übernimmt der Fleischer dann sein Schwein von den Kopfschlächtern. Nach der Feststellung vom Schlachtgewicht kommt das Fleisch dann erstmal in die Kühlräume, um es auf die für den Transport vorgeschriebene Temperatur herunter zu kühlen.

Bei der Rinderschlachtung geht es in Zeiten von BSE noch genauer zu.

Bei der Anlieferung wird sofort der Rinderpass, ein jedes Rind muss einen solchen besitzen, mit der Ohrmarkenkennung verglichen. Anders als das Schwein wird das Rind mit einem Bolzenschuss betäubt. Auch hier tritt der Tod selber erst mit dem Blutverlust ein. Eine Kartusche treibt mit lautem Knall den Bolzen durch die Schädeldecke. Der Kehlschnitt erfolgt sofort nach dem Aufhängen an der Transportvorrichtung. Jetzt wird das Rind auf dem Schlachtschragen mit den Füßen nach oben abgelegt, die Klauen entfernt und die Bauchdecke beim Hochziehen mit der Winde schon geöffnet.

Alles in Allem ist die Rinderschlachterei schon wegen der großen Gewichte eine sehr harte Arbeit.

Jeder, der sein abgepacktes Schnitzel aus der Fleischtruhe im Supermarkt nimmt, sollte vielleicht manchmal auch an die denken, die diese harte und blutige Arbeit für uns erledigen.

Nur schade, dass mit der Schließung solcher Regionalschlachthöfe wie in Bad Kissingen das ganze Geschäft noch anonymer wird, dass die Fleischesser unter uns noch mehr Abstand zu den Notwendigkeiten bekommen, die für Gewinnung des Nahrungsmittel Fleisch Voraussetzung sind.

 

 


 

 

Aus dem Landkreismagazin KG: Ausgabe 01/02 • Januar/Februar • 2003
von Jürgen Kohl, Fotos: Jürgen Kohl

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