Aus dem aktuellen SWmagaz.in: Gefragt nach einer exakten Zahl, muss er passen. Werner Christoffel hat sicher schon eine fünfstellige Anzahl von Arbeitsplätzen geplant und eingerichtet.
Auch jetzt nach der Fusion zur Firma Steinmetz & Christoffel beschäftigt er sich weiter intensiv mit der Veränderung der Arbeitswelt.
Kein anderer hat so viel Knowhow und so viel Erfahrung. Du hast schon Tausende an Arbeitsplätzen eingerichtet. Wie viele sind es überhaupt? Gibt es eine Strichliste?
Werner Christoffel: Keine Ahnung, aber ich denke es geht schon ins Fünfstellige.
Wie siehst du heute den Wert der Ergonomie? Wird heute mehr oder weniger darauf geachtet oder ist die Kohle ausschlaggebend?
Werner Christoffel: Die Welt der Arbeitsplätze hat sich in den letzten fünf Jahren völlig verändert. Ich bin ja fast weltweit unterwegs in der Geschichte. Ich bin im Händlerbeirat bei Steelcase. Das ist weltweit der größte Hersteller mit Zentrale in Grand Rapids am Lake Michigan bei Chicago. Steelcase hat vor zehn Jahren den feinsten deutschen Büromöbelhersteller, die Firma Werndl in Rosenheim, gekauft. Gefertigt wird nach wie vor in Rosenheim. Das meiste, was hier bei uns in der Ausstellung rumsteht, ist von Rosenheim. Mit dem Händlerbeirat von Steelcase waren wir schon oft international unterwegs, in Shanghai, Hongkong, Chicago oder in New York und haben uns unter anderem auch Arbeitsplätze angeschaut, andere Kulturen kennengelernt und gesehen wie dort gearbeitet wird. Es gibt da schon viele Unterschiede. Wir legen Wert auf ganz andere Kriterien im Vergleich zu den USA, Steelcase ist sehr weit im Thema Forschung. Sie erforschen Arbeitsplätze und die ganze Welt der Arbeit und zwar weltweit. Das beste aus den unterschiedlichen Kulturen wird ausgesucht und vermischt, er wird geschaut was funktioniert. Mitten in den Gremien dabei zu sein ist spannend und hochinteressant.
Bei uns hier kann ich den Kunden alles an Beispielen zeigen. Das Wichtigste ist heute Flexibilität und Kommunikation. Es wird immer schneller, Medien immer einfacher und damit der Zugang zu allen Informationen.
Ist es heute so, dass die Face-to-Face-Kommunikation überhaupt noch eine Rolle spielt oder werden auch im Büro von einem Arbeitsplatz zum anderen nur noch Mails geschickt?
Werner Christoffel: Face-to-Face wird durch diese Möglichkeiten eigentlich eher noch wichtiger. Viele Vertriebler machen den Fehler und setzen nur noch auf Mail, sie kriegen ihre Kunden nicht mehr zu sehen. Richtig gute Geschäfte werden auch heute noch am ehesten gemacht, wenn man sich anschaut, wenn man sich mal trifft.
Gilt das auch beim Gespräch mit Arbeitskollegen untereinander im täglichen Betrieb?
Werner Christoffel: Ja, wobei wir das inzwischen so ausstatten, dass es den Arbeitspatz gibt, an dem du sitzt und konzentriert arbeitest. Man braucht eine gewisse visuelle Privatsphäre, eine akustische Privatsphäre, da sollten Störungen möglichst ausgefiltert werden, das geht auch im Großraum. Zum Glück sterben die Flure mit Zimmern links und rechts langsam aus. Da sitzen 20 Leute in 10 Zimmern auf einem Gang, keiner weiß vom anderen was er tut, ob er da ist. So sind Ämter teilweise noch strukturiert. Das ist eine Katastrophe, Zusammenarbeit wird da absolut verhindert. Dann gibt es noch die berühmten Besprechungszimmer, vielleicht zwei im ganzen Haus. Die Mitarbeiter streiten sich um die Nutzung der Besprechungszimmer. Buchungen für die Belegung müssen lange im Voraus gemacht werden. Geschwindigkeit und Spontanität werden unterdrückt. Bis zum Besprechungstermin sind viele Sachen schon gelaufen.
Die Unternehmen wollen, schneller und besser werden, bekommt man das nur durch intensive Kommunikation und flexible Arbeitsplätze hin?
Werner Christoffel: Das haben wir bei uns selbst hier zum Thema gemacht: Es gibt die Sachbearbeitung, die brauchen feste Arbeitsplätze, es gibt den Vertrieb, auch die haben Arbeitsplätze. Dann gibt es Leute wie mich, ich brauche keinen festen Arbeitsplatz, ich bin viel unterwegs und kann heute überall arbeiten. Ich habe meinen Laptop und mein iPad dabei. Das ist völlig egal, wo ich mich hier hinsetze, wir haben WLAN, man ist überall im Netz.
Ist es heute viel teurer einen vernünftigen Arbeitsplatz einzurichten oder hat diese Flexibilität die Kosten gar gesenkt?
Werner Christoffel: Für den einzelnen Arbeitsplatz hat sich von den Kosten her nicht viel verändert. Die Möbel sind heute eher günstiger als früher. Nehmen wir die Besprechungszimmer, die gibt es hier bei uns nicht. Dafür einige Meeting-Points, da kann man sich kurz zusammensetzen, zurückziehen oder etwas besprechen. Wenn wir hier etwas zu besprechen haben, machen wir das nicht am Arbeitsplatz. Die anderen außenherum wollen wir nicht stören. Wir setzen uns in eines der Kabinchen, sind völlig ungestört, obwohl wir mitten im Raum sitzen. Eines dieser Meetingpoints ist das Workcafe. Wenn ich was mit dem Kollegen besprechen will, gehe ich dorthin. Wir trinken einen Espresso miteinander, in den alten Bürostrukturen funktioniert das nicht. Es merken immer mehr Unternehmen, dass das was bringt und das Klima merklich verbessert. In letzter Zeit haben wir mehr als ein Dutzend Firmen entkernt. Die haben uns gesagt das ist unser Stockwerk, das sind die tragenden, stützenden Wände, alles andere raus. Macht uns was ‚Gescheites‘ da rein.
Klingt ja ziemlich radikal, wie soll das die Effizienz anheben?
Werner Christoffel: Laufwege sind Verlustflächen, die müssen weg. Ohne unnötige Laufwege kannst du die eigentliche Fläche viel effizienter nutzen. Nach solchen radikalen Entkernungen reicht meist dreiviertel der Gesamtfläche und es bleibt trotzdem ein großzügiges Raumgefühl.
Wenn du heute einen Betrieb so radikal umkrempelst, wie nehmen das die Mitarbeiter auf?
Werner Christoffel: Für viele ist es am Anfang erst einmal der Weltuntergang. Es ist es wichtig, die Mitarbeiter von Anfang an mit ins Boot zu nehmen. Das versuchen wir auch immer. Wir befragen die Mitarbeiter noch vor der Planungsphase mit einem Performance-Check Internet basierend. Mit einem Link wird man auf rund 40 Fragen geleitet zum eigenen Arbeitsplatz. Wie funktioniert was, wo sind Defizite, was ist gut, was ist schlecht? Nachdem alles fertig ist befragen wir sie wieder. Das Ergebnis ist immer gleich: Die Mitarbeiter haben wieder Spaß an der Arbeit und sind zufrieden.
Bei dieser altmodischen ‚Flur-mit-Zimmer-an-Zimmer-Lösung‘ geht es ja oft um die Privatsphäre. Wie kann das in einem Großraum gelöst werden?
Werner Christoffel: Man braucht Rückzugsbereiche. Verschiedene Möglichkeiten müssen dafür geschaffen werden. Ein Azubi z.B. ist in so einem Open-Space-Bereich, die Bezeichnung Großraum nutzen wir nicht, sie ist ein bisschen negativ belegt, besser aufgehoben. Er kriegt in einem Zweipersonen-Büro nichts mit. Wir haben bei der Main-Post in Würzburg ein komplettes Stockwerk entkernt. Da hat sich einer der Azubis bei der Eröffnung bei der Unternehmensleitung bedankt, dafür, dass jetzt die Chance besteht, alles mitzukriegen und hier mitarbeiten zu dürfen. Den Herren Brandstätter und Faller hat es Tränen in die Augen getrieben, so schön hat der das rübergebracht.
Jürgen Kohl, Objektfotos und CAD Renderings Steinmetz & Christoffel
Aus dem aktuellen SWmagaz.in