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Kein Bischofswort im Ratssaal – Ein Kommentar.

17.01.2012

Am vergangenen Sonntag fand im Ratssaal des Rathauses der traditionelle Neujahrsempfang der Stadt Würzburg statt – und dieser machte mit einem Traditionsbruch auf sich aufmerksam. Über ein halbes Jahrhundert hinweg war es gute Tradition, dass anlässlich dieses Neujahrsempfanges nicht nur der Oberbürgermeister der Stadt sprach, sondern auch der katholische Bischof der Diözese Würzburg. Offenbar auf Initiative des Oberbürgermeisters und Beschluss des Ältestenrates wurde mit dieser Tradition gebrochen. Anstelle des Bischofs sprach der ehemalige Präsident der Universität Würzburg Professor Theodor Berchem.

Dies vorweg: Die Rede von Professor Berchem scheint sehr gut gewesen zu sein und wurde von den anwesenden Hörern positiv aufgenommen. Trotzdem ist es ein Problem.

Eine Ansprache des höchsten Vertreters der größten Glaubensgemeinschaft der Stadt erfüllt mehrere Funktionen. Zunächst einmal entwickelt sich der Neujahrsempfang dadurch weg von einer politischen Veranstaltung, hin zu einem Startpunkt für das Jahr, der auch geistliche Elemente beinhaltet. Zugleich verdeutlicht er die wichtige und gewinnbringende Zusammenarbeit zwischen Stadt und Bistum. Das Bistum ist allein schon als größter Immobilieneigentümer der Stadt auf deren Zusammenarbeit angewiesen. Gleiches gilt umgekehrt auch für die Stadt. Außerdem ist die Kirche gerade im sozialen Bereich ein enorm wichtiger Leistungsträger. Man muss nur einmal auf die Situation der Kindertagesstätten und Kindergärten schauen. Ohne die Kirche könnte die Stadt hier niemals die geforderten Zahlen an freien Plätzen bereitstellen.

Insofern war die traditionelle Ansprache des Bischofs beim städtischen Neujahrsempfang eine zwar exklusive, aber dennoch nachvollziehbare Zusammenarbeit.

Das eigentliche Problem ist aber ein anderes. OB Georg Rosenthal begründete den Schritt nämlich nicht etwa mit einer zu engen Verbindung von Stadt und Kirche, sondern mit der Vielfalt der Stadt Würzburg und dem Versuch, diese zu repräsentieren.

Gut, dann sollen eben die anderen Glaubensgemeinschaften auch zu Wort kommen. Zunächst wäre da die Vertreterin der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Würzburg, Dekanin Dr. Edda Weise. Dann die evangelischen, oder evangelikalen Freikirchen, die Methodisten, die Adventisten, die Baptisten, die Pfingstgemeinde, die Mennoniten, die apostolische Gemeinschaft, die neuapostolische Kirche. Natürlich darf man auch die Alt-Katholiken nicht vergessen. Hinzu kommen die orthodoxen Kirchen. Da wären die Griechisch Orthodoxe Kirche, die Russisch Orthodoxe Kirche, die Rumänisch Orthodoxe Kirche und die Syrisch Orthodoxe Kirche. Dann selbstverständlich die Jüdische Gemeinde mit ihrem schönen Gemeindezentrum Shalom Europa. Natürlich darf man auch die verschiedenen islamischen Konfessionen und Gruppierungen nicht einfach zusammenwerfen, also müssen wir auf jeden Fall die Shia und die Sunna unterscheiden, vielleicht auch noch die Aleviten. Daneben gibt es sicher auch in Würzburg praktizierende Buddhisten und Hindus jeglicher Couleur. Die Baha’i sollen nicht unerwähnt bleiben und auch Falun Gong ist in der schönen Stadt am Main bereits angekommen.

Ich habe jetzt mal eben über 20 religiöse Gemeinschaften aufgezählt, die in Würzburg mehr oder weniger prominent aktiv sind. Und ich erhebe keinerlei Anspruch auf Vollzähligkeit! Zwei Jahrzehnte müssten wir also schon einplanen, wenn wir jede Glaubensgemeinschaft mal zu Wort kommen lassen wollten.

Der Oberbürgermeister hat aber nun nicht, was vielleicht ein logischer Schritt wäre, einen Vertreter der größten protestantischen Gemeinschaft ans Rednerpult gebeten, sondern ein ganz neues Fass aufgemacht und einen Vertreter der Bildung eingeladen. Auch da haben wir in Würzburg einiges zu bieten. Die Universität ist abgehandelt, als nächstes also die Fachhochschule. Dann die Musikhochschule, wieso nicht auch die Dolmetscherschule. Im Geiste des Pluralismus sollten wir auch die beruflichen Schulen berücksichtigen. Die allgemeinbildenden und weiterführenden Schulen sind natürlich auch sehr wichtig – die Website der Stadt Würzburg unterscheidet insgesamt 18 Kategorien von Bildungseinrichtungen.

Wären wir also schon bei vier Jahrzehnten… Ach, Herr Oberbürgermeister, das wird doch nichts! Ihren Willen zum Pluralismus in allen Ehren, aber Sie können niemals allen gerecht werden. Wenn Sie jetzt sagen, dass jeder einmal zu Wort kommen soll, dann werden Sie die allermeisten enttäuschen müssen. Einen Vorschlag zur Güte: Sie behalten zukünftig das Wort des Bischofs bei – und zwar nicht in erster Linie als Beitrag der katholischen Kirche, sondern als geistlichen Impuls für das neue Jahr – verzichten auf Ihre eigene Ansprache und laden zusätzlich noch einen weiteren Vertreter einer ausgewählten Einrichtung oder Gruppierung dazu. Bischof und Uni-Präsident wären doch schon eine tolle Paarung gewesen!

Ein Kommentar von Kilian Martin
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