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Demenz als unbeackertes Feld

vom 04.12.2010 - 10:12 Uhr

Schweinfurt: Von jährlichen knapp 30.000 Patienten des Leopoldina-Krankenhauses leiden rund drei Prozent an einer Demenz.

Gezählte 922 waren es im Jahr 2009. Wobei es wohl doppelt so viele gewesen sein könnten. Denn nicht immer wird die Erkrankung diagnostiziert, wenn die zumeist älteren Patienten wegen einer anderen Erkrankung behandelt werden. „Menschen mit Demenz im Krankenhaus“ heißt ein für neun Monate angelegtes, bayernweit am Neujahrstag startendes Pilotprojekt, an dem auch das „Leo“ mitmacht. „Ein unbeackertes Feld“ nennt der Geschäftsführer Adrian Schmuker die Erkrankung.

Der Diplom-Volkswirt kam selbst schon mal in Kontakt mit dem Problem, dem sich die Krankenhäuser und ihre Kooperationspartner nun annehmen. Schmuker erinnert sich an einen gar nicht mal so alten Patentien, der ihn vor dem Aufzug stehend nach dem Weg fragte. „Er irrte im Krankenhaus herum, konnte sich plötzlich an nichts mehr erinnern und war in dem großen Gebäude völlig hilflos!“ Evi Bindrim von der Pflegedienstleitung kennt solche Fälle aus dem Alltag. Wenn ältere Patienten, die wegen beispielsweise eines Oberschenkel-Halsbruches, also wegen eines ganz anderen Krankheitsbildes im Leopoldina liegen, zusätzlich unter einer Persönlichkeitsveränderung leiden und am Verfall der geistigen Leistungsfähigkeit. Wenn Menschen das Heute und das Jetzt vergessen, nur noch mit Wissen von früher glänzen können. „Sie sind dann überfordert beim Zähneputzen, beim Anziehen der Hose oder beim Streichen von Brötchen“, weiß Bindrim, „sie wissen morgens beim Waschen nicht mehr, was sie tun müssen.“ Oft führe das dann zu Wutausbrüchen.

Im Leopoldina-Krankenhaus hilft man schon jetzt so gut es geht. Indem Pfleger die Hand des Patienten zum Mund führen, weiß der vielleicht wieder, wie er sich die Zähne putzt. Das ist nur ein Beispiel. „Es heißt nicht, dass alles falsch ist“, bestätigt der Diplom-Sozialwissenschaftler Matthias Matlachowski. Er vertritt die Alzheimer Gesellschaft Würzburg/Unterfranken e.V., die das Projekt begleitet. Auch das Diakonische Werk engagiert sich mit Personaleinsatz und Fachkompetenz. Ziel sei es, die Situation der Demenz-Erkrankten, ihrer Angehörigen und auch der Pflegekräfte zu verbessern. Von 8000 Dezemz-Kranken in der Region Main-Rhön weiß Matlachowski. Die Zahl könnte sich in den nächsten zehn Jahren verdoppeln, befürchtet man. Weil die Menschen immer älter werden und jede zweite Frau, jeder dritte Mann pozentiell gefährdet ist.

Mehrere Module gibt es. Mit Vorträgen und Veranstaltungen soll die Öffentlichkeit über die Krankheit Demenz informiert werden. Mitarbeiter des Krankenhauses werden qualifiziert. Angehörige von Erkrankten sollen besser beraten und unterstützt werden. Zudem will das Lepoldina weitere Ehrenamtliche finden, die sich zutrauen, in einem Akutkrankenhaus zu helfen, um auf den Stationen den Alltag der Demenzerkrankten zu strukturieren. Zehn hat man schon gefunden, 25 können es gerne sein. Meistens helfen bislang ältere Frauen. Der Freistaat Bayern unterstützt mit seinem Gesundheits- und Sozialministerium im Rahmen des Projektes auch die Qualifizierungsmaßnahmen dieser Ehrenamtlichen. Nachhaltigkeit ist der Alzheimer-Gesellschaft wichtig, eventuell könnte man das Projekt ab Herbst 2011 in den Regelbetrieb überführen.

In 90 Prozent der Fälle würden in Schweinfurt die Demenzerkrankungen der Patienten (die mit dem eigentlich anderen Krankheitsbild) gar nicht genauer bezeichnet werden können, sagt Prof. Dr. Dr. Wilfried Kuhn. Der Chefarzt der Neurologischen Klinik erlebt nahezu täglich Orientierungsstörungen seiner Patienten. Diagnostik und Therapie müssten verbessert werden. „Es liegt einiges im Argen“, sagt er und meint damit: „Was ist Demenz? Wie kann man sie behandeln? Ist es ein unabwendbares Schiksal?“ Patienten und deren Angehörige will man auch in einem für Demenz nicht zuständigen Krankenhaus künftig besser über diese Themen informieren.

Evi Bindrim kennt weitere Beispiele aus dem Alltag. Wenn in einem Drei-Personen-Zimmer ein Patient das Bett verwechselt, helfen Fixpunkte genauso zur Orientierung wie an den Zimmertüren. „Wären diese Menschen draußen, sie würden sich verirren“, weiß die Pflegeleiterin. Betreuung ist oft zu späten Stunden nötig, weil Demenz-Kranke meist tagsüber müde sind, dafür nachts aktiv. Und weil die Erinnerungslücken aus der jüngeren Vergangenheit stammen, ist die Essensoption eine ganz wichtige Maßnahme. Kartoffeln, Gemüse oder ein Stück Fleisch – damit wissen ältere Leute etwas anzufangen. „Wenn wir ihnen aber eine Lasagne anbieten, dann würden sie die nicht akzeptieren.“

Wer als Ehrenamtlicher Demenz-Erkrankten helfen will, kann sich bei Matthias Matlachowski unter der Telefonnummer 09721/772845 melden. Wer den Förderverein des Leopoldina-Krankenhauses finanziell unterstützen will: Dresdner Bank AG Filiale Schweinfurt, BLZ 793 800 51, Konto 4 009 575 00.

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