Gerolzhofen: Das Unheil in Hitler-Deutschland voraussehend, schickten 1934 Gustav Stern (57) und seine Frau Selma (51) ihren16-jährigen Sohn Erich (den Vater der Brüder Stern) mit seiner älteren Schwester zu einem Onkel nach New York. 1937 folgten ihnen die Eltern in die USA.
Ähnlich gestalten sich die Fluchtwege ins Ungewisse bei dem Gerolzhöfer Konditoreibesitzer Simon Pfeifer und seinem Schwiegersohn, der Familie Arthur Hahn mit der12-jährigen Tochter Lotte. Erich und Lotte aus Gerolzhofen sollten sich in den USA wiederbegegnen, verlieben und schließlich heiraten. Aus der von ihnen gegründeten neuen Familie entstammen die beiden Söhne Richard und Lesley, Les gerufen.
Über den Kontakt mit Evamaria Bräuer, der Sachwalterin der von den braunen Machthabern ausgelöschten jüdischen Gemeinde in Gerolzhofen, führte die beiden Brüder der Weg jetzt, wie eingangs erwähnt, nach Gerolzhofen.
Auf den Spuren der Familien Brodmann, Hahn, Pfeifer, Lewisohn und eben Stern präsentierte Evamaria Bräuer nach dem Aufsuchen deren ehemaliger Anwesen den Stern-Brüdern die Erkenntnisse aus ihrer jahrzehntelangen Forschung. Schließlich zeigte sie den erstaunten Gästen auf dem Israelitischen Friedhof sogar Grabstätten der Ur-Ur Großeltern ihrer Familien.
Eine umfangreiche Familiengeschichte blätterte Norbert Vollmann derweil im Stadtarchiv für die angereisten Gäste auf. Durch vielfältige Dokumente sind bis heute in alten Zeitungsartikeln oder in Form von Werbe-Annoncen im Bezirks-Amtsblatt, in Adressbüchern oder in der Lokalzeitung „Der Steigerwald-Bote“ das Geschäftsleben sowie familiäre Ereignisse bestens nachvollziehbar. Ebenso im überlieferten Protokollbuch der jüdischen Kultusgemeinde. Auch Bürgermeister Thorsten Wozniak entbot den Besuchern aus den USA seinen Gruß und ließ ihnen ein Geschenk der Stadt überreichen.
Nach einem fränkischen Dinner reisten die Gäste weiter nach Flossenbürg. Dort waren sie geladen zur Gedenkveranstaltung: 80 Jahre Befreiung des dortigen KZ, als Nachkommen von Erich Stern. Dieser war im April 1945 bei der Befreiung Deutschlands vom Nazi Regime Angehöriger der 90. US-Infanteriedivision der 3. US-Army.
Die Gedenkveranstaltung in Flossenbürg war auch für Richard und Lesley Stern mehr als nur eine Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse vor 80 Jahren. Sie war und ist ein Aufruf, die Vergangenheit nicht zu vergessen und aktiv dafür zu sorgen, dass solche Gräueltaten nie wieder passieren. So bleiben der Kampf und das Einsetzen für ein „Nie wieder“ auch in Zukunft von größter Bedeutung, wie den Gästen aus den USA in Flössenburg nachhaltig vor Augen geführt wurde.
Die Suche nach ihren familiären Wurzeln führte die Brüder Richard und Lesley Stern nach Gerolzhofen. Informationen aus erster Hand erhielten sie von Evamaria Bräuer (rechts) und im Stadtarchiv, wo auch diese Aufnahme entstand, von Norbert Vollmann (hinten in der Mitte).
Foto: Roland Marschall