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Dublin – eine etwas andere Metropole

vom 04.08.2011 - 18:08 Uhr

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Ein Reisebericht von Kilian Martin unserem regelmäßig unregelmäßigem Würzburg-Blogger:

Das letzte Juni-Wochenende ist der ideale Zeitpunkt um einen Kurztrip nach Dublin zu unternehmen. Könnte man zumindest meinen. Immerhin sollte das Wetter irgendwie sommerlich werden, dabei nicht zu heiß, was bei einem City-Trip ja tendenziell recht unangenehm werden kann.

Während das Wetter in Würzburg zumindest halbwegs hält, was der Kalender verspricht, starte ich erwartungsfroh von Frankfurt nach Dublin. Ein erster kleiner Wermutstropfen ergießt sich dann aber doch aus der geschlossenen Wolkendecke, über der der Airbus den ganzen Weg in den Norden dahingleitet. Also wird es leider nichts mit dem ersten Blick auf die grüne Insel. Kurz vor Dublin durchstößt das Flugzeug die Wolken und im gleichen Moment bewahrheiten sich die Aussagen des Flugkapitäns, der noch in Frankfurt Regen und kühle Temperaturen am Zielort versprochen hat.

Der Flughafen in Dublin ist nicht gerade das, was man in einer europäischen Hauptstadt erwarten würde. Wenn man gerade einmal zwei Stunden früher am Terminal 1 in Frankfurt stand, kann einen die Übersichtlichkeit des Flughafens doch etwas verwundern.

Keine zwei Schritte aus dem Terminal-Gebäude, die nächste Neuerung: Während in Deutschland dieser Tage der Regen in dicken Sommergewittertropfen vom Himmel fällt und oftmals eine willkommene Abkühlung bringt, peitscht er in Dublin vom Wind getrieben derart kalt über den Parkplatz, dass man meint, man wäre geradewegs in den Herbst geflogen.

Aber ich bin ja nicht wegen des Wetters nach Dublin gereist, sondern um der Stadt willen.

Wir verbringen das Wochenende auf einem Campingplatz, etwa zehn Kilometer außerhalb des Stadtzentrums am Rande eines Vororts gelegen. Der Platz ist nett angelegt, kann sich mit hohen europäischen Standards messen lassen und bietet sogar ein offenes und kostenloses WLAN für die Gäste. Vom Platz fährt ein Doppeldecker-Bus, in einer guten halben Stunde, durch die Vororte ins Stadtzentrum.

Auf der ersten Fahrt in die Stadt sind die Gefühle etwas gemischt. Man kennt ja den Anblick von Großstadtvororten, mit ihren unpersönlichen Reihenhaussiedlungen, immer wieder durchbrochen von Stadtautobahnen und Industriegebieten. Es wirkt ein bisschen wie die Fahrt durch Greater London; Natürlich im Miniaturmaßstab. Dublin hat ziemlich genau so viele Einwohner, wie Nürnberg, also gut 500.000, die Metropolregion ist mit ca. 1,2 Millionen Einwohnern nicht ganz so groß wie München (London hat mit 8 Millionen Stadteinwohnern und über 13 Millionen in der Metropolregion ganz andere Größenordnungen zu bieten).

Die Häuschen am Straßenrand erinnern sofort an all die anderen englischen Städte, die man so kennt. Individualisten kommen in britischen Städten nicht auf ihre Kosten. Das einzige, was die Reihenhausabteile voneinander unterscheidbar macht, ist das Auto in der Auffahrt, die Marke der immer deutlich sichtbaren Alarmanlage und der Name auf dem Maklerschild. Es kommen mir unweigerlich die Nachrichtenbilder aus den USA in den schlimmsten Zeiten der Immobilienkrise in den Sinn. Der Leerstand, bzw. der Anteil der zu Verkauf und Vermietung stehenden Wohneinheiten ist gewaltig. Gefühlt jedes dritte dieser meist nur zweistöckigen und nicht unterkellerten Reihenhäuser hat das Schild einer großen landesweiten Makleragentur an der Tür hängen. Aus der Reiselektüre erfahre ich interessante Zusatzinformationen: In Irland, speziell in den größeren Städten, ist es durchaus üblich in größerer Regelmäßigkeit, als dies bei uns hierzulande üblich ist, das Eigenheim zu wechseln. Die Iren haben also eine gewisse Routine darin. Gleichzeitig sind die Preise für Wohnraum durchaus mit den deutschen vergleichbar. Wer ein kleines, halbwegs hübsches Reihenhausteilchen in einer Dubliner Vorstadt als Ferienwohnung beziehen möchte, kann ab 150.000 € schon fündig werden. Wer aber wirklich in die Stadt ziehen möchte und auch Wert auf einen gehobenen Wohnstandard legt, der sollte lieber noch einmal beim Kreditinstitut seines Vertrauens vorstellig werden.

Man merkt also schon auf dem Weg in die Stadt, dass in Irland diese Krise, von der in unseren Nachrichten immer die Rede ist, tatsächlich eingeschlagen hat. Die Menschen hier bekommen die Auswirkungen tatsächlich zu spüren. Während in Deutschland nur einige Unglückliche, aufgrund zweifelhafter Anlagegeschäft, mit der Finanzkrise in Berührung gekommen sind, zieht sich die Finanz- und Wirtschaftskrise wie ein schwarzes Band durch die irische Landschaft. Irland ist ein armes Land. Wer schon einmal in England unterwegs war, der kennt nette, gepflegte Örtchen, pittoreske Häuschen mit dem sprichwörtlichen englischen Rasen im Vorgarten, beeindruckende Herrschaftshäuser und Schlösser über das ganze Land verteilt, wunderschöne, grüne Hügellandschaften…

Die Landschaften, die Örtchen, Häuschen und Gärten hat Irland auch, aber sie wirken hier eher wie englischer Landhausstil, der seine besten Zeiten gesehen hat. Aus anderen den vom Touristenstrom entlegenen Gefilden des griechischen Festlandes üben diese, für unsere Verhältnisse armen Gegenden einen gewissen Charme aus und wirken stimmiger, weniger gegensätzlich. In der Hauptstadt eines nordeuropäischen Landes aber, wirken diese massenhaften und offensichtlichen Existenznöte deplatziert und fast schon bedrückend.

Besonders krass ist dieser Eindruck aber in der eigentlichen Dubliner City. Die Innenstadt von Dublin erstreckt sich entlang des River Liffey. Wie jede ordentliche Großstadt hat auch Dublin verschiedene Quartiere zu bieten, die ihr jeweils ganz eigenes Gesicht haben. Das aktivste und für junge Menschen sicher interessanteste Viertel ist das auf der Südseite des Flusses gelegene Temple Bar. Hier reihen sich in alten, engen Gassen die Pubs aneinander, viel Straßenkunst und Musik gibt es hier. Überhaupt ist Dublin ein Born der Kreativen: Samuel Becket, James Joyce, Bram Stoker, Oscar Wilde, William Butler Yeats, Bono (überhaupt U2), Enya, Rea Garvey, Bob Geldof, Ronan Keating, Sinéad O’Connor… Alle stammen sie aus Dublin und Umgebung und haben hier angefangen. Und auch heute ist Dublin vor allem unglaublich musikalisch. In praktisch jedem Pub gibt es zum after-work-Guinness Livemusik. Viele der Musiker verbringen den Tag in den Fußgängerzonen und tauchen die Stadt in einen zwar durchgängig relativ hohen Geräuschpegel, aber dadurch auch in interessante Klangwelten. Wenn man in London vielleicht die gerade im Erdreich vorbei fahrende tube wahrnehmen würde, die die halbe Straße erzittern lässt, blickt man in Dublin auf einen etwas skurrilen älteren Herrn im dunklen Anzug, der mit Big-Band-Playback vom kleinen Ghettoblaster die größten Hits von Frank Sinatra zum Besten gibt. Oder auf die vier Jungs im Teenager-Alter, die mit akkubetriebenen Gitarrenverstärkern und einer stromlosen Cajon ziemlich eindrucksvoll ihren mutmaßlich selbstverfassten, etwas punkigeren Brit-Pop präsentieren, welchen man eigentlich eher als Tipp des Monats in einem Indie-Magazin erwarten würde, denn unter dem Vordach einer weltweit bekannten Modehaus-Kette.

Und diese Musiker, vor allem jene, die traditionellere irische Musik machen – und davon gibt es auch reichlich junge Leute – brechen dann am späteren Nachmittag in den Fußgängerzonen ihre Lager ab und gehen in die Pubs um dort noch ein, zwei Stunden für meist sehr große Zuhörerschaften zu spielen. Hier unterscheidet sich Dublin nicht von jeder anderen britischen Großstadt: Pünktlich zum Feierabend platzen die Pubs aus allen Nähten und die Straßen sind voller Menschen mit Bierglas, die gerade aus dem Büro kommen und jetzt ihr tägliches Feierabendbier trinken; welches übrigens in Dublin nicht eben billig ist. € 4,50 für ein Pint Guinness muss man schon berappen (ein Pint entsprich einem guten halben Liter).

Ein weiteres, sehr interessantes Viertel Dublins sind die sogenannten Docklands. Der Name spricht für sich. Geplant und auch weitgehend gestaltet sind die Docklands, wie die vielen anderen Hafenprojekte in Europa. Stilistisch liegt das ganze irgendwo zwischen HafenCity in Hamburg und den Docklands in London. Relativ wenig erinnert noch an ein echtes Hafengebiet, dafür ist die Schifffahrt nicht mehr präsent genug. Aber die Gegend wird vom Wasser und von atemberaubenden Neubauten dominiert.

Convention Center Dublin

 

Grand Canal Theatre

Drei Bauwerke stechen dabei besonders hervor: Die Samuel-Becket-Bridge, eine Auto- und Fußgängerbrücke, die der irischen Harfe nachempfunden ist, das Convention Centre Dublin, das Congresscentrum der Stadt mit einer außergewöhnlichen Tonnenarchitektur und das Grand Canal Theatre, welches allein schon durch den Namen des Architekten beschrieben werden kann: Daniel Libeskind. Tatsächlich sind die Straßenzüge rund um das Theater mit die schönsten, die ich seit langem gesehen habe. Sicher tragen dazu auch der strahlend blaue Himmel und die milden Temperaturen bei. Es ist einfach schön dort, zwischen den modernen, aber gar nicht abweisend wirkenden hohen Wohngebäuden am ehemaligen Hafenbecken, welches durch die Libeskind’sche Architektur schon fast den Charakter eines Museumsparks erhält, wie man sie aus anderen Großstädten kennt. Hier fühlt man sich wirklich in einer Metropole, wo die Menschen gerade zur Mittagspause oder zum Nachmittagskaffee aus den Büros strömen, sich ans Wasser setzen, dem Treiben zusehen und sich an den vielen kleinen Marktständen mit ausgefallenen Snacks und Getränken versorgen. Ein besonders wohliges Gefühl verschafft mir die Entdeckung einiger Leute, die dort mit Hefegläsern sitzen. Es wirkt ein wenig, wie der Biergarten des Nordens.

Aber nur ein paar Meter weiter wird dieser Eindruck erheblich getrübt. Diese ganzen, unbeschwert wirkenden Menschen kommen nicht aus den umliegenden Häusern, denn diese stehen zu weiten Teilen leer. Riesige, neue Gebäude mit schmucken Glasfassaden, teils Wohngebäude mit – so zumindest der äußere Eindruck – tollen Wohnungen, teils modernste Bürogebäude mit mehreren zehntausend Quadratmetern Bürofläche stehen komplett zur Vermietung oder zum Verkauf. Beim Blick durch die getönten und spiegelnden Fassadenscheiben sieht man, dass die Böden teilweise nur aus blankem Estrich bestehen und von den Decken noch die frisch verlegten Kabelstränge hängen. Auf der anderen Seite des Liffey stehen Gebäude nebeneinander, die man so zwar alle in einer Großstadt, niemals aber in einer Straße vermuten würde: An das bereits beschriebene Convention Centre schließt sich der Rohbau eines riesigen Bürogebäudes an, der eigentlich nur aus Stützmauern und Zwischendecken besteht, ein reines Betonskelett ohne Innenleben. Sofort wird mir bewusst, dass dieser Rohbau wohl noch lange so stehen bleiben wird. Und ob er dann abgerissen, oder zu Ende gebracht wird, weiß mit Sicherheit heute noch niemand. Die Erbauer wurden mitten in der Bauzeit von der Krise überrascht. Wohl dem, der noch in der Planungsphase Konkurs anmelden musste, so bitter das auch klingen mag.

Alte Industriegebäude

Ein paar Meter weiter stehen brach liegende, alte Industriegebäude, deren Fassaden dem Verfall preisgegeben sind und deren rückwärtige Gebäudeteile zu fehlen scheinen. Ein Potemkinsches Gebäude ad absurdum geführt.

Im Hintergrund das O2

Direkt dahinter dann das O2, das riesige Event-Theater der Stadt mit 14.000 Sitzplätzen.

Gerade beim Anblick des unvollendeten Bürobaus kommt mir der Gedanke, welches Luxusproblem für uns Würzburger doch der Hotelturm eigentlich ist. Sicher, es ist nie schön, wenn ein so prestigeträchtiges Großbauprojekt sich als Totgeburt erweist und dem Stadtbild als Makel anhaftet. Aber wenn man bedenkt, dass Dublin gerade vier mal so groß ist, wie die Stadt Würzburg, dann werden die Größenordnungen plötzlich in ein ganz anderes Licht gerückt. Während wir in Würzburg uns jahrelang über ein einziges, so fehlgelaufenes Bauprojekt streiten, könnte man mit den leer stehenden und nicht vollendeten Gebäuden der Dubliner Docklands die halbe Würzburger Innenstadt füllen. Eine ungleich größere Belastung für ein so gebeuteltes Volk.

Zwei Tage lang erkunden wir die City von Dublin. Ich lasse es mir dabei nicht nehmen die örtlichen Alkoholika – Guinness und Jameson Irish Whiskey (das „e“ in Jameson wird übrigens wie ein „i“ gesprochen) – genauer unter die Lupe zu nehmen. Die jeweiligen Eintrittspreise sind durchaus gesalzen. Der Normalpreis liegt jeweils bei ca. 15 €, der ermäßigte Preis bei etwa 11 €. Dafür bekommt man jeweils aber auch eine Kostprobe des Produkts.

Die Guinness Brauerei ist für Bierliebhaber sicherlich ein schönes Ziel. Im Guinness Storehaus, ein schönes, altes Backsteingebäude, in dem bis vor wenigen Jahrzehnten noch wirklich Bier produziert wurde, macht man selbstständig eine Tour mit optionalem Audioguide (kostenlos) durch die verschiedenen Stockwerke und erfährt dabei die wesentliche Schritte der Bierproduktion, sowie ein paar interessante Details zur Geschichte der Brauerei. Mir persönlich bereitet allein schon die sehr durchdachte Innenarchitektur des Gebäudes eine große Freude: Der Mittelteil des Gebäudes ist komplett frei und wurde in Form eines riesigen Bierglases gestaltet – muss man gesehen haben. Unterwegs bekommt man eine kleine Probe Guinness, die man unter fachkundiger Anleitung verköstigen darf. Ein Abschnitt der Eintrittskarte wiederum dient als Gutschein für ein frisches Pint Guinness in der Gravity Bar, die auf das Dach des Gebäudes gesetzt wurde. Diese kreisrunde und vollverglaste Bar bietet einen wunderbaren Blick über die ganze Stadt inklusive Fernsicht auf das Meer und in die Berge des Hinterlandes. Außerdem kann man erst von dort oben richtig erkennen, wie unglaublich groß das Brauereigelände von Guinness ist. Es überrascht nicht wirklich, immerhin bin ich schon zwei, drei mal mit dem Bus daran vorbeigefahren und weiß ja auch, dass Guinness einer der größten Bierproduzenten der Welt ist und ausschließlich vor Ort produziert. Aber die etwa 260.000 m² große Anlage wirkt doch einfach gewaltig.

In der Jameson Whiskey Distillery verhält es sich ähnlich, wobei hier tatsächlich ein Führer die Gruppe leitet. Aber auch hier wurde bis vor einigen Jahren noch der komplette Produktionsprozess durchgeführt, heute wird auf dem Gelände in Dublin nur noch die Abfüllung des Whiskeys vorgenommen, die Produktion und Reifung geschieht in der anderen Distillery an der Südküste.

Die Führung ist informativ und unterhaltsam und acht Glückliche werden aus der Besuchergruppe ausgewählt, um nach der Führung an einem Whiskey-Tasting teilzunehmen. Ich weiß nicht, ob es an meinem mittleiderregendem Blick liegt, jedenfalls bin ich einer der Glücklichen. Wie bei Guinness erhält man auch hier gegen den Abschnitt der Eintrittskarte einen Jameson nach Wahl (pur oder in verschiedenen Varianten gemischt). Die Probe für die ausgewählte Kleingruppe ist nicht gerade eine Offenbarung, aber dennoch informativ und witzig. Es werden drei Whiskeys gegeneinander getestet: Ein Jack Daniel’s, ein Johnnie Walker Black Label und ein (alter) Jameson. Die Führerin erklärt, wie man richtig verköstigt und worauf man achten muss. Am Ende des kurzen Tastings wird jeder gefragt, welchen der Tropfen er persönlich präferiert. Meine ehrliche Antwort – ich mag halt Scotch lieber – nimmt die Führerin mit Humor und händigt mir trotz meiner „wrong answer“ die Urkunde aus, mit der ich nun zertifizierter Whiskeytrinker bin.

Überhaupt sind die Leute in der Distillery sehr entspannt und humorvoll. Der Mann, bei dem ich meine Eintrittskarte kaufe, fragt mich direkt woher ich komme und ist fast erstaunt, dass ich mit Deutschland antworte, er hätte gar keinen solchen Akzent bemerkt. Ich bedanke mich artig und erkläre ihm genauer woher ich komme und was ich hier mache. Er sagt mir daraufhin, dass er sich immer wieder freut, wenn Leute aus Franken da sind, weil er das fränkische Bier so liebe. Ohne, dass ich ihn in irgendeiner Weise darum gebeten hätte, erklärt er mir auch gleich, wie ich zu diesem wunderbaren Pub in Temple Bar komme, dass die tollen fränkischen Biere ausschenkt. Einen kurzen Moment bin ich sogar neugierig, welche Brauereien ihr Bier nach Dublin exportieren, denke dann aber sofort an die Preise und schlag einen eventuellen Besuch dort sofort wieder in den Wind (wenn man für ein Bier € 4,50 bezahlt, dass in der Stadt selbst gebraut wird, dann möchte ich nicht wissen, was ein Bier vom europäischen Festland kostet).

Nach zwei Tagen in der Stadt kommt dieses typische Gefühl eines City-Trips auf. Man hat schon viel gesehen und erlebt, könnte aber noch viel mehr sehen und erleben, wofür die Zeit aber nicht reicht. Außerdem braucht man mal ein bisschen Ruhe. Also verlassen wir die City am dritten Tag und sehen uns noch ein wenig das Umland an. Wobei Umland schon fast ein wenig übertrieben ist. Denn aus der Innenstadt von Dublin sind es gerade einmal 20 Kilometer bis in Vororte, wo man nichts mehr von der eigentlichen Weltstadt auf der anderen Seite der Bucht ahnt.

Gegenüber von Dublin, am Rand der Bucht des Liffey-Deltas, liegt auf einer Halbinsel das Örtchen Howth (Luftlinie vielleicht 12 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt). Die Gegenden da draußen erinnern etwas an die alten Seebäder, wie man sie aus den Nordee-Städten in Deutschland und vor allem auch Südengland kennt. Allerdings ist auch hier alles etwas anders. Während beispielsweise Brighton längst nicht mehr den mondänen Charakter von einst hat und heute in relativer Ruhe dahin altert, hat man in Howth nirgends das Gefühl, dass es hier mal mondän zugegangen wäre. Es ist ein kleines, nettes Örtchen, gar nicht hässlich, aber dafür, dass es eine der edleren Adressen der Stadt sein soll, ist es doch ziemlich medioker.

Die Fahrt aus der Stadt dorthin führt vorbei an den ewig gleichen Reihenhaussiedlungen, wie man sie schon aus den anderen Vororten kennt. Nur hier stehen sie eben direkt an einer Art Uferpromenade (zur Promenade lädt das Ufer, bzw. der Strand eigentlich nicht ein, das Wetter macht das relativ selten möglich). Was etwas bessere Verhältnisse erahnen lässt, ist die wachsende Größe der Häuser und vereinzelte Reihen von recht ordentlichen Einfamilienhäusern, bzw. sogar schon kleinere Villen. Auch die Gestaltung der Vorgärten ist hier etwas liebevoller, wobei die oft zu sehenden Palmen doch etwas verwirren. Überhaupt ist die Flora in Irland recht interessant. Wenn man mal dort war und das Klima mitbekommen hat, weiß man auch, wieso immer von der grünen Insel die Rede ist. Dort wächst schlichtweg nicht viel anderes. Im Winter friert es zwar praktisch nie (daher die vielen Palmen), aber über das Jahr verteilt ist es auch selten mal über längere Zeit trocken. Dass ein Rasen bei gemäßigten Temperaturen und viel Niederschlag gut wächst, weiß jeder Hobbygärtner. Nur Zierpflanzen fühlen sich dort nicht sehr wohl. Hinzu kommt, dass riesige Waldflächen abgeholzt wurden, um dem britischen Schiffbau der vergangenen Jahrhunderte zugeführt zu werden.

Howth bietet einige schöne Anblicke und die Fish and Chips aus der Imbissbude an der Hafenstraße sind wesentlich besser, als vieles, was man schon anderswo im britischen Raum bekommen hat. Überdies ist der Imbiss-Wirt ein freundlicher Zeitgenosse mit dem wir auch gleich ins Gespräch kommen. Es geht um sein lustiges, kleines Auto aus japanischer Produktion, auf das er unglaublich stolz ist. Beim ersten Anblick ordnet man es direkt in den 60er Jahren ein und ist schon fast erstaunt, wie gut das Fahrzeug restauriert und instandgehalten wurde. Der Mann erzählt uns dann aber, dass das Auto in den späten 90er Jahren nur etwa 10.000 Mal gebaut wurde und eigentlich gar nicht für den Export bestimmt war. Er hätte sich aber dahinter geklemmt und wäre nun einer der wenigen, stolzen Besitzer dieses Wagens in Europa. Sachen gibt’s.

Am nächsten Tag steht am späten Nachmittag der Heimflug an, vorher aber noch ein wenig Kultur. In Irland gibt es, wie in vielen Staaten vor allem Nord-Europas, größere Kult- und Grabanlagen aus vergangenen Jahrtausenden. So zum Beispiel das Hügelgrab von Newgrange (Wikipedia), etwa 60 Kilometer nördlich von Dublin. Die Anlage ist ca. 5.000 Jahre alt, gehört zu einer komplexeren Struktur von Hügelgräbern in der Umgebung und die eigentliche Besonderheit ist, dass man das Grab mit einem Führer betreten kann. Wer schon einmal in den Katakomben in Rom war, weiß um die besondere Atmosphäre einer solchen Anlage; nur ist Newgrange noch einmal 3.000 Jahre älter.

Danach statten wir noch dem Örtchen Mullagh einen Besuch ab. Der Ort liegt etwa 50 Kilometer südwestlich von Newgrange und gut 30 Kilometer nordwestlich des Dubliner Stadtzentrums. Im Grunde liegt er mitten im Nirgendwo und ist auch nicht irgendwie hübsch oder sonst bedeutend. Das einzige, was diesen Ort zu einem Besuchermagnet macht, ist der wichtigste „Sohn der Stadt“: Aus Mullagh stammt der Heilige Kilian. Als Würzburger, als Kilian und noch dazu am Beginn der Kiliani-Woche natürlich ein Muss!

Wie gesagt, der Ort hat im Grunde nicht viel zu bieten – eine Tankstelle mit angeschlossenem Supermarkt, ein paar Pubs, jede Menge hübscher, zum Verkauf stehender Landhäuschen amerikanisch anmutender Bauart (zweigeschossig, breite Auffahrt, offensichtlich nicht unterkellert) – und der „touristische Höhepunkt“ ist allein das St. Kilian‘s Heritage Centre. Dieses Centre ist eine Art Gemeindezentrum mit angeschlossenem, recht großzügigem Kinderspielplatz, direkt gegenüber der Dorfkirche. Im Zentrum selbst findet, mutmaßlich, hauptsächlich eine Art Kaffe-und-Kuchen-Betreuung für die örtlichen Senioren statt; was ich eigentlich ganz schön finde. Darüber hinaus gibt es noch ein paar Tagungsräume und sonstige Einrichtungen, die ein Gemeindezentrum eben so hat. Das besondere aber ist der kleine Souvenirshop und die recht einfache, aber sehr nette Ausstellung zum Heiligen Kilian. Als wir den Raum mit der Ausstellung betreten, meinen wir fast, dass wir in Franken gelandet sind: Eine (überschaubare) Anzahl von Repliken bekannter Kilians-Statuen und sonstiger Kunstwerke aus dem Würzburger Raum begrüßt uns. So zum Beispiel eine originalgetreue Nachbildung des Irenkreuzes, das im Original bei Bischofsheim, auf dem Weg zum Kreuzberg steht.

Die kleine Ausstellung auf Schautafeln ist zwei, bzw. dreisprachig gehalten (in Irland ist generell alles in Englisch und Gälisch angegeben, hier kommt noch Deutsch hinzu) und wurde vor 20 Jahren vom Bistum Würzburg gestiftet. Bis dahin wusste man in Mullagh zwar schon um den Heiligen Kilian, aber so recht Wert hatte man wohl nicht darauf gelegt. Es gibt auch keine nennenswerte Ausgrabungsstätte. Nur in der Dorfkirche ist in der Wand eine kleine Nische mit einem Reliquiar eingelassen. In einem goldenen Gefäß wird ein Stück des Schädelknochens des Heiligen zur Verehrung aufbewahrt. Eine Inschrift verrät, dass es ebenfalls vor 20 Jahren vom Bischof von Würzburg dorthin gebracht wurde. Ansonsten ist die Kirche nicht viel anders, als die meisten irischen Kirchen: Von außen ganz hübsch, von innen ziemlich schmucklos, nüchtern und eher langweilig.

Mit der Dame im Gemeindezentrum komme ich kurz ins Gespräch. Irgendwie scheint mir, dass mein Besuch dort für mich wesentlich aufregender ist, als für sie. Würzburger seien regelmäßig dort und Kilians kämen auch aus der ganzen Welt dahin. Zum Abschied wünscht sie mir aber dann noch viel Freude auf dem Kiliani, was ich irgendwie sehr nett finde.

Danach geht es dann gleich weiter zum Flughafen. Dieser ist zwar, wie eingangs beschrieben, nicht besonders groß, der Abflugbereich braucht sich aber im internationalen Vergleich nicht zu verstecken. Die Shopping-Angebote sind ordentlich (und in keiner Weise überteuert), die kulinarischen Angebote ebenfalls.

Als ich in Frankfurt aus dem Flugzeug auf das Rollfeld steige, fühlt es sich an, wie gegen eine Wand zu laufen. Die Klimaanlage hatte im Flugzeug relativ konstant Temperatur und Luftfeuchtigkeit von Dublin gehalten. Nur ist es in Frankfurt mindestens zehn Grad wärmer und die absolute Luftfeuchtigkeit ist, trotz Regenwetters in Dublin, auch deutlich höher. So muss sich das anfühlen, wenn man im Herbst aus Deutschland in den südeuropäischen Spätsommer fliegt. Großes Europa.

Was bleibt von diesem Trip?

Erstens: Dublin ist eine nette Stadt mit netten Menschen, die sicher immer eine Reise wert ist. Allerdings muss man eben auch darauf gefasst sein, dass man in keine moderne Metropole reist, wie etwa Berlin, London oder Stockholm. Bei den extremen wirtschaftlichen Problemen sollten sich hoffentlich in absehbarer Zeit Verbesserungen zeigen, aber es kann das Bild der Stadt schon stark beeinträchtigen.

Zweitens: Dublin ist eine Stadt mit Geschichte, Charme und unglaublich unterentwickeltem Nahverkehrsnetz. Wenn man Nahverkehrsnetze aus anderen Großstädten gewohnt ist, die sich auf U-Bahn, S-Bahn, Straßenbahn und Bus stützen, dann kann man in Dublin sehr schnell verzweifeln. Das Hauptverkehrsmittel ist der Doppeldeckerbus. Leider scheinen aber die Dubliner Nahverkehrsbetriebe eine Art Freundschaftsvertrag mit dem römischen Nahverkehr zu unterhalten: An den Haltestellen sind in den allermeisten Fällen lediglich die Nummern der Busse angegeben, die diese Haltestellen anfahren. Wenn überhaupt mal ein Plan da ist, kann man mit den Zeiten eigentlich nichts anfangen, da sie die Abfahrtszeit von der Starthaltestelle zu beschreiben scheinen. So etwas habe ich bisher nur in Rom gesehen.

Dazu hat Dublin eine schicke, neue Straßenbahn. Die ist wirklich toll, aber komplett unpraktisch. Die Straßenbahn besteht aus zwei Linien, die sich weder kreuzen – was bedeutet, dass man zwischen den Linien nicht wirklich umsteigen kann – noch das direkte Stadtzentrum befahren. Für Menschen aus dem Vorort und die Nahverkehrsanbindung der Sportstadien mag das gut sein, für eine sinnvolle Verkehrsentlastung der Innenstadt ist es aber in etwa so sinnvoll, wie ein Heißluftballon.

Drittens: Mit Dublin hat das eigentlich nichts zu tun. Aber ich habe bei diesem Trip ganz besonders die Erfahrung gemacht, wie sehr die modernen Medien doch eine Auslandsreise verändern können. Das geht schon beim Online-Check-In für den Flug los, was eine recht praktische Sache ist. Früher hat man dann auf einem Urlaub Unmengen Postkarten verschickt, teure Filme voll geknipst und tonnenweise Zeug mit nach Hause genommen, um es den Daheimgebliebenen zu zeigen. Und das ist ja auch wirklich noch nicht so lange her.

Heute spare ich mir das Porto für die Karten und bezahle davon lieber die höhere Mobilfunkrechnung, die ich durch das mobile Internet im Ausland aufgebaut habe. Dafür brauche ich aber auch keine Filme mehr; der iPhone-Speicher ist glücklicherweise kostenlos und für ein Wochenende gerade groß genug. Statt Postkarten gibt’s live Photos in meinem Instagram-Profil, oder bei flickr. Stadpläne und Reiseführer muss man auch nicht mehr mit sich herum schleppen, gibt es alles als App. Und wenn man Glück hat, gibt es ab und an mal ein kostenloses WLAN, womit man dann auch problemlos größere Online-Projekte aus dem Urlaub realisieren kann.

Dadurch wird die Welt kleiner. Kurz vor dem Abflug in Frankfurt war mir eingefallen, dass ich einem Freund am Tag vorher vergessen hatte etwas zu sagen. Also schnell vor dem Start noch eine Email losgeschickt. In Dublin am Flughafen direkt in ein freies WLAN eingehängt und seine Antwort gelesen. Ich wette, dass der Freund nach meiner Rückantwort gar nicht gemerkt hat, dass ich gar nicht mehr in Deutschland war. Brave new world.

Kilian
email: kilianmartin@gmx.net
twitter: @kilianmartin
facebook: http://facebook.com/kilianpmartin

Bis hier: Alle Fotos: Kilian Martin


Die folgenden Photos sind von Johannes Martin (cc) (by-nc-nd) und können auf seinem blog entdeckte-wirklichkeit.de angeschaut werden. Das blog entdeckte wirklichkeit bietet einen anderen Blick auf die Welt und sollte unbedingt von jedem Leser besucht werden!

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