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Kulturpreis des Bezirks Unterfranken an Heinz Altschäffel verliehen

08.11.2011

Schweinfurt: Heute Mittag wurde im Beisein vieler prominenter Gäste in der Kunsthalle Schweinfurt der Kulturpreis des Bezirks an den Schweinfurter Kunstler Heinz Altschäffel verliehen.

Die Laudatio hielt Dr. Erich Schneider, hier im Wortlaut:

Heinz Altschäffel in Schweinfurt vorzustellen ist ein äußerst schwieriges Unternehmen. Er ist 1934 hier geboren und hat sich als erfolgreicher Absolvent der Kunstschule in Würzburg sowie der Akademien in München und Nürnberg 1964 in seiner Geburtsstadt als freischaffender Künstler niedergelassen. Er ist Gründungsmitglied der Gruppe Schweinfurter Künstler und hat in vielen Malkursen eine große Zahl von – meist – weiblichen Schülern, also Schülerinnen in die Geheimnisse des Kunstschaffens eingeführt. Wie mir die Leiterin der vhs Schweinfurt Frau Cize „zugeflüstert“ hat, betreute Altschäffel seit 45 Jahren in 180 Kursen rund 2700 Teilnehmer. Toll! Dass man darüber hinaus sein künstlerisches Werk aus ungezählten Ausstellungen kennt, bedarf dann eigentlich gar keiner weiteren Erwähnung mehr.

Hier halte ich bewusst inne, denn kennt man Altschäffel und sein Schaffen wirklich? Wissen wir sehr viel mehr über diesen Künstler, der in bald fünf Jahrzehnten ein prägender Teil des Kunst- und Kulturlebens von Schweinfurt und darüber hinaus geworden ist? Fragte man Heinz Altschäffel selbst dazu, dann würde er wahrscheinlich antworten, dass man mehr über ihn nicht zu wissen braucht. Er lebt bewusst sehr zurückgezogen mitten in Schweinfurt: Wenn man ihn anruft, dann reagiert meist nur der Anrufbeantworter. Kein Türschild weist an seinen Ateliers auf den Namen des Künstlers hin. Früher, ganz früher wussten Eingeweihte, dass man in der Brückenstraße unter „Bublies“ läuten musste. Heute kommt so mancher Brief an ihn retour, weil nicht einmal der Postbote ihn findet. Altschäffel braucht diese Konzentration auf sich und sein Werk und meidet im Grunde genommen jede Art von Öffentlichkeit.

Zum Malen zieht er sich ebenfalls völlig in sich zurück. Dazu gehört ein seit Jahrzehnten eingeübtes Ritual: Obwohl er seine Motive durchaus auch in Franken findet, zieht es ihn jedes Jahr für eine ganze Reihe von Wochen nach Italien. Meist geht es in die Toskana, aber auch Ligurien oder Umbrien hat er schon aufgesucht. Er mietet sich dort ein kleines Häuschen und lässt dann die ersten Tage zunächst einfach passieren, was passiert. Der Maler nimmt Kontakt auf mit der Natur, sucht das Gespräch mit den dort lebenden Menschen und genießt wohl auch das eine oder andere Glas Chianti. Bald hat er sich im Freien im Schatten eines Baumes einen Malplatz inmitten der Natur eingerichtet. Wenn man es nicht besser wüsste, dann könnte man meinen, einer der Lukasbrüder aus dem frühen 19. Jahrhundert arbeitete hier.

Wenn Altschäffel so durch die Gegend streift, führt er stets ein Skizzenbuch mit sich. Derartige Skizzenbücher hütet er wie ein ganz persönliches Geheimnis. Sie sind in der Tat etwas Besonderes, denn sie spiegeln in ihrer Spontaneität den ersten, unverbrauchten Blick des Malers auf einen Gegenstand. Mit raschen Strichen notiert er sich darin kleine und größere Beobachtungen. Dennoch ist Altschäffel dabei nicht eigentlich auf der Suche nach einem bestimmten Motiv. Er lässt es in Ruhe an sich herankommen. Als erfahrener Maler meidet er das helle Tageslicht. Seine bevorzugte Tageszeit ist die erste Dämmerung, wenn im reduzierten Licht der sich neigenden Sonne die Schatten länger und die Formen stärker hervorgehoben werden.

Irgendwann, meist so am Ende der ersten Woche, haben sich in die Fülle seiner gezeichneten Notizen Formen eingeschlichen, in denen der Maler so etwas wie die Grundidee einer Bildgestaltung erahnt. Jetzt beginnt der eigentliche, der systematische Teil der Arbeit des Künstlers. Immer wieder und immer wieder untersucht der Maler die Tragfähigkeit einer solchen Idee. Irgendwann jedoch ist ein nicht vorhersehbarer Punkt erreicht, an dem Altschäffel dann sein Thema gefunden hat.

Darauf aufbauend entstehen vor Ort als erste eigenständige Ausformungen Zeichnungen in größerem Format in Kohle. Vielfach handelt es sich um großzügig in die Fläche gesetzte, duftig leichte Gebilde. Gerne erarbeitet der Maler außerdem mit farbigen Kreiden bildartige Kompositionen auf Papier. In früheren Jahren hat er gelegentlich verschiedenste Fundobjekte wie zum Beispiel von Wind und Wetter „gegerbte“ Papierstreifen verarbeitet. Heute kann es vorkommen, dass der Maler plötzlich statt dem Kreidestift einen kleinen besonders geformten Stein vom Boden aufhebt, ihn in Farbpulver taucht und dann mit entschlossener Geste eine Linie oder eine Kontur auf das Papier zeichnet.

Einige dieser Malsteine hat er sogar bis ins Schweinfurter Atelier mitgenommen. Dort entsteht nach der Rückkehr aus Italien im Laufe des folgenden Sommers und Winters eine ganze Reihe von Leinwänden, die auf den vor Ort gewonnenen Bildideen aufbauen. Einen ersten Überblick über die Ernte der jüngsten Zeit zeigen wir übrigens im Rahmen einer kleinen Ausstellung zu Ehren von Heinz Altschäffel hier in der Kunsthalle in den nächsten Wochen.

Man darf sich diesen von mir jetzt als so scheinbar stringent ablaufend beschriebenen Vorgang jetzt jedoch nicht als ein „Ausmalen“ oder ein „Vergrößern“ der italienischen Skizzen und Zeichnungen vorstellen. In Schweinfurt setzt im Grunde genommen ein völlig neuer, ein eigenständiger Prozess ein. Selbstverständlich weiß der Künstler um die vorangegangenen Erfahrungen, aber die Malerei auf der Leinwand erzeugt in der Stille des Ateliers ganz andere Bilderscheinungen, denen sich Altschäffel erneut hingibt.

Wenn ich jetzt versucht habe, die Entstehung eines Gemäldes bei Altschäffel als eine Abfolge verschiedenster Stufen von der ersten Bildidee über Skizzen und Zeichnungen bis hin zur Leinwand vorzustellen, dann sollten Sie wissen, dass alles auch ganz anders sein kann. Insbesondere kann es vorkommen, dass der Maler zur Klärung eines Detailproblems wieder zum Skizzenblock greift oder sich eine Serie von eigenständigen Kreidezeichnungen dazwischen schiebt. Häufig müssen manche der unvollendeten Leinwände dem Maler im Atelier erst einige Wochen vor Augen stehen, bis sie in einem bestimmten Moment zu Ende gearbeitet werden. Auf keinen Fall lässt sich der Malprozess eines Künstlers wie Heinz Altschäffel in eine Art Rezeptur pressen.

Die Anregung für ein Thema kommt bei Altschäffel in den letzten Jahren selten aus dem großen Landschaftsüberblick. Sein Blick richtet sich immer häufiger auf das Detail beziehungsweise auf einzelne in einem besonderen Verhältnis zueinander stehende Kompositionselemente. Einige Beispiele für solche Körperstrukturen finden Sie in der kleinen Ausstellung, die wir Altschäffel zu Ehren eingerichtet haben. Dennoch weiß man nie, was wirklich passiert. Im Jahr 2009 jedenfalls ergab es sich, dass er Dutzende wunderbarer Kreidezeichnungen schuf, die im Mittelpunkt einer vielbeachteten Ausstellung in Wechterswinkel standen. Die Freude am kleinen Format, die mehlige Farbigkeit der Kreide, die Möglichkeit sich spontan auszudrücken, all das und vieles andere kamen wohl zusammen und ließen Altschäffel einen Sommer lang zeichnen, zeichnen, zeichnen.

Gelegentlich meint man in seinen Bildern der sichtbaren Welt entlehnte Motive zu erkennen: eine Türe, ein Fenster in einer Mauer, zwei Torpfosten. Aber genauso schnell entziehen sich die Motive auf den Zeichnungen solchen Zuordnungen wieder und werden zu freien Formen, die alleine der Freude des Malers am Umgang mit dem Kreidestift oder dem Pinsel und den unter seinen Händen entstehenden Gestaltungen genügen. Man kann deshalb auch, und darin liegt der eigentliche Reiz von Altschäffels Kunst, das ganze als informelle Komposition unterschiedlicher Flächen- und Farbelemente sehen und sich als Betrachter davon anregen lassen. Man könnte zum Beispiel darauf achten, wie die einzelnen Flächen zueinander stehen: Sind sie in der Art eines Musters flächig aneinander gereiht oder bilden sie räumliche Anmutungen unterschiedlicher Tiefenschichten aus? Wo ist vorne und wo hinten oder warum ist oben im Bild eben wirklich oben? Obwohl Altschäffel uralte Themen der Kunstgeschichte aufgreift, stellen sich solchermaßen losgelöst von der Bindung an gegenständliches Sehen dann ganz andere Assoziationen ein, die in tiefere Schichten der Auseinandersetzung zum Beispiel mit der Farbigkeit in seinen Werken führen.

Gerade bei den Farben von Heinz Altschäffel wird das fleißige Sehen besonders reich belohnt. Genauso sorgfältig, wie der Maler seine Themen entwickelt und allmählich in sich reifen lässt, genauso intensiv ist seine Auseinandersetzung mit der Erscheinung der Farbe. Hier werden nicht nur einige expressive farbige Gesten effektvoll mit schnellem Pinsel auf Papier oder Leinwand geworfen, sondern der Maler modelliert seine Farbaufträge in immer wieder neuen Schichten und Arbeitsgängen so lange, bis sie die von ihm gewünschte Erscheinung haben. Deshalb ist bei Altschäffel ein Grau häufig genug nicht bloß Grau, sondern erweist sich bei näherer Betrachtung als aus vielen Farben komponiert.

Die Malerei wie Heinz Altschäffel sie versteht, ist, um es noch einmal zu betonen, selbstverständlich kein so analytisch-abstrakter Vorgang, sondern im Grunde ein hochemotionales Erlebnis. Das Malen selbst ist für den Künstler kein in allen Phasen bewusster Prozess mehr, sondern in glücklichen Augenblicken kann es vorkommen, dass es einfach geschieht.

Dr. Erich Schneider

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