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Der Letzte macht das Licht aus

19.05.2015

Aus dem aktuellen SWmagazin: Wenn demnächst das KKG in Grafenrheinfeld endgültig abgeschaltet wird, feiern die Kernkraftgegner ihren Sieg mit einem großen Abschaltfest. Die politische Sicht auf die Mehrheiten bei den Wählern und die Nuklearkatastrophe von Fukushima haben das Ende der Atomzeit bei uns in Deutschland rasant beschleunigt. ‚Nachkarten‘, eine fränkische Unart beim Schafkopfen, nützt nichts, der Atomausstieg ist Realität.

Ein kleiner Rückblick sollte erlaubt sein. Seit der Inbetriebnahme im Jahre 1981 ist zum Glück bis heute niemand zu Schaden gekommen, ein paar kleinere Betriebsunfälle ausgenommen.

Für den Landkreis, speziell für die Gemeinde Grafenrheinfeld, hat das KKG in den letzten drei Jahrzehnten wirtschaftlich und kulturell viel gebracht. Vom KKG haben viele profitiert, direkt durch Steuereinnahmen, indirekt durch die Arbeitsplätze und vor allem auch durch die große Zahl der Fremdarbeiter, die bei jeder Revision bares Geld im Landkreis und in der Stadt gelassen haben.

Das Loch, das das KKG in den Kassen heute schon hinterlassen hat, ist sicher nicht zu unterschätzen. Für die Gegner der Kernkraft ist klar, dass die Erneuerbaren alle Lücken füllen werden, sowohl wirtschaftlich als auch die entstehenden Lücken im Energiebedarf. Manche Pessimisten sehen die Lichter, vor allem in der Schweinfurter Industrie, aus Gründen fehlender Grundlast, schnell ausgehen.

Bis 2050 sollen mindestens 80 Prozent der Stromversorgung bei uns aus erneuerbaren Energien gespeist werden. Schon 2022 soll das letzte deutsche Kernkraftwerk vom Netz gehen.

Alternative Energien brauchen aber andere Netze. Ein am 12. Dezember 2014 eingereichter Antrag für die erste SuedLink-Verbindung Wilster – Grafenrheinfeld ist in der Region nicht gerade auf Zustimmung gestoßen. Allerorten haben sich Bürgerinitiativen gegen Südlink zusammengetan. Keiner will neue Strommasten in der Landschaft. Mit Windrädern ist die fränkische Landschaft schon ‚verspargelt‘ genug.

Aber die Fachleute sind sich einig. Um auch zukünftig die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müssen die Stromnetze ausgebaut werden. Eine leistungsstarke Nord-Süd-Verbindung spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Manche ‚grasgrüne‘ Träume zerplatzen wie Seifenblasen. So mussten z.B. beim letzten großen Orkan über Deutschland, dem Sturm Niklas, hunderte Windräder mit insgesamt 2.300 Megawatt Leistung zwangsweise abgeschaltet werden.

Die Wetterdienste meldeten an diesem 30. März in Spitzenböen Windgeschwindigkeiten von bis zu 192 km/h. Das Institut Agora Energiewende ermittelte eine Wind- und Solareinspeisung von rund 44.000 Megawatt, das ist die Leistung von rund 31 KKWs. Aber aufbewahren für schlechte Zeiten funktioniert ja noch nicht, solche Spitzen über die vorhanden Netze abführen auch nicht. Bleibt nur, die ‚Windmühlen‘ abzuschalten.

Damit aber das Netz nicht zusammenbricht und der gefürchtete Blackout nicht eintritt, mussten bei uns in Süddeutschland zusätzlich 20.300 Megawatt vom Ausland, im besonderen aus Frankreich, eingekauft werden. Die Kaufleute vom Druckwasserreaktor Fessenheim hat‘s gefreut. Übrigens sind in Frankreich noch 58 kommerziell genutzte Reaktoren in Betrieb. Der letzte, Belleville 2, soll aus heutiger Sicht 2029 abgeschaltet werden. Zyniker sagen, da ist ja wenigstens bis dahin unsere Versorgungssicherheit sichergestellt.

Stünde schon heute eine ‚Stromautobahn‘ zu Verfügung, hätte man in der Sturmnacht mehr Strom abtransportieren können, zum Ausgleich des Netzes. Der Zukauf hat den Stromkunden, also uns allen, einen „mittleren zweistelligen Millionenbetrag” gekostet.

Alle diese Probleme sollen uns keine Kopfschmerzen bereiten, Bayern setzt auf die Dezentralisierung der Stromversorgung. Kleine Gaskraftwerke sollen auftretende Spitzen und Überproduktionen der Erneuerbaren auffangen. Fragt sich aber, wer diese Gaswerke betreiben soll. Großkonzerne wie E.ON sicher nicht. Kohle ist damit, wenn sie nur ein paar Tage im Jahr laufen und produzieren können, nicht zu verdienen. Vielleicht ist das im Schweinfurter Hafen angedachte Gaskraftwerk ja eines Tages ein Teil der öffentlichen Daseinsfürsorge wie z.B. ein Friedhof.

Wir haben ja Gott-sei-Dank noch die Photovoltaik. Flächen für große Solarkraftwerke haben wir im dünnbesiedelten ländlichen Raum noch genug. Das Problem ist nur, die Sonne scheint die Hälfte der Zeit eben nicht. Die Wirtschaft kurbelt die Produktion von Solarmodulen auch nicht mehr an. Fast alle tragen heute den Stempel ‚Made in China‘. Lediglich die Investoren haben etwas davon, die Einspeisevergütung und damit die Rendite liegt weit über den heutigen Zinsen für Geldanlagen bei einer Bank.

Wie dem auch sei, das KKG war nicht nur ein Wirtschaftsfaktor, die jeweiligen Betreiber, angefangen von Bayernwerk bis heute zu E.ON, waren als Sponsoren in der ganzen Region gefragt. Kaum ein Verein, eine Kulturveranstaltung oder ein Fest, das ohne ‚Spritze‘ in irgendeiner Form aus dem großzügigen Fördertopf des KKG stattgefunden hat. Viele müssten an Stelle eines Abschaltfestes eigentlich einen Trauerzug veranstalten.

Das Gelände um das KKG wird nach der Abschaltung keinen Deut ungefährlicher. Lange Jahre wird uns der Abriss, der nach Ansicht des Bergrheinfelder Bürgermeisters Peter Neubert eigentlich überflüssig ist, beschäftigen. Neubert hat vorgeschlagen, das Containment (also das eigentliche Reaktorgebäude) stehen zu lassen, um für eventuell auftretende Undichtigkeiten bei den auf lange Sicht zu lagernden Castorbehältern eine Backup-Möglichkeit zu haben, um unter sicherem Einschluss Reparaturen an offenen Behältern vornehmen zu können.

Viele, der über dreihundert Mitarbeiter sehen nicht ein, warum ausgerechnet ihr Kraftwerk nach so langer, sicherer ‚Reisezeit‘, technisch auf einem neueren Stand als viele Kraftwerke in ganz Europa, der Energiewende geopfert werden soll.

Text und Fotos: Jürgen Kohl

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